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Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Titel: Monkeewrench 06 - Todesnaehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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Schild?», fragte John leise vom Rücksitz.
    Grace verlangsamte auf Schritttempo, und die Scheinwerfer beschienen ein verblasstes, windschiefes Straßenschild, das wahrscheinlich längst in den Straßengraben gekippt wäre, hätte ein Dickicht aus Brombeerranken es nicht gehalten. Falls überhaupt je etwas darauf gestanden hatte, waren die Buchstaben längst der Zeit und den Elementen zum Opfer gefallen. Doch Grace konnte gerade noch zwei verblichene Symbole ausmachen: die internationalen Zeichen für eine Toilette und ein Telefon. «Ein Rastplatz.»
    Annie spürte, wie die Spannung in ihren Schultern zunahm. «Also, für mich sieht das fiese alte Ding aus wie die Kulisse in einem dieser Weltuntergangsstreifen, nach der Katastrophe. Außerdem sind da Einschusslöcher drin, Grace. Einschusslöcher, das heißt Menschen mit Waffen, die einfach so zum Spaß auf Straßenschilder schießen. Was glaubst du, worauf die sonst noch so schießen?»
    Grace musterte die Narben des altersschwachen Schildes, die selbst schon ganz rostig waren: mit ziemlicher Sicherheit die historische Hinterlassenschaft gelangweilter Jugendlicher aus längst vergangenen Tagen. Leider erhöhte das die Wahrscheinlichkeit, dass auch der Rastplatz und die in Aussicht gestellte Telefonzelle inzwischen historisch waren. Früher waren Orte wie der, den das lädierte Schild ankündigte, einladende, idyllische Oasen für müde Reisende auf der Fahrt durch das endlose unbelebte Hinterland gewesen – ein friedlicher, hübscher Platz, an dem man sich die Beine vertreten, sein Butterbrot essen und ein wenig Natur genießen konnte, bevor man sich wieder hinters Steuer der Familienkutsche klemmte. Doch das hatte sich schon vor langer Zeit geändert, seit die Autobahnen eine sehr viel schnellere Ankunft am gewünschten Ziel ermöglichten. Und so wurden die abgelegenen Plätze merklich weniger, verschwanden mehr und mehr in den Wäldern und Feldern, nachdem sie jahrzehntelang so gute Dienste geleistet hatten.
    «Wahrscheinlich ist das Telefon schon seit Jahren außer Betrieb», sagte John. «Aber wir müssen es trotzdem versuchen.»
    Grace nahm die Abzweigung, und schon war es mit dem Asphalt vorbei. Eine gefühlte Ewigkeit lang rumpelte der Wagen über eine Schotterpiste, und Grace hielt das Lenkrad fester umklammert. Die Bäume standen immer dichter, ihre Zweige streiften die Seitenfenster des schweren Gefährts, das mindestens einen halben Meter breiter war als der Weg.
    «Gütiger Himmel», murmelte Annie. Sie hatte die Hände gegen das Armaturenbrett gestemmt, um nicht vom Sitz zu rutschen. Selbst Charlie fing an zu winseln.
    Schließlich endete der Pfad auf einem kleinen, verwilderten und mit leeren Bierdosen übersäten Parkplatz. Ein paar demolierte Picknicktische standen kläglich herum, daneben eine altersschwache Wasserpumpe, die wohl irgendwann im letzten Jahrhundert einmal als Trinkbrunnen gedient hatte, und ein Toilettenhäuschen aus Beton. Und gleich neben den Picknicktischen, wie ein sperriges Museumsstück, eine alte Telefonzelle. Grace hatte das Gefühl, als dränge ihr die Einsamkeit und Trostlosigkeit dieses Ortes bis ins Mark.
    «Das Ding funktioniert nie im Leben», brummte Harley.
    Grace zog ihre Pistole und sah sich um, drehte sich auf dem Sitz hin und her, um eine Rundumübersicht zu bekommen. John fing ihren Blick auf und nickte.
    «Ich gehe das Telefon ausprobieren. John, du setzt dich ans Steuer und lässt den Motor laufen. Harley, komm nach vorn. Annie und ich brauchen eine Pause.»
    «Ich gehe mit dir zum Telefon.» Harleys Ton ließ keinen Widerspruch zu. Doch Charlie war noch schneller aus dem Wagen als er.
    Langsam stieg Grace aus. Hier im Norden war es sehr viel kälter, und zwischen den Nadelbäumen pfiff ein eisiger Wind hindurch. Abgesehen davon war es dunkel und still.
    Die Telefonzelle war nicht allzu weit vom Wagen entfernt, doch Grace blieb auf halber Strecke stehen und suchte mit dem Blick den Wald ab, der ringsum immer höher zu werden schien. Eine Art Anhöhe. Hier wurden die ebenen Ackerlandschaften, die sie bisher durchquert hatten, wieder hügeliger – wahrscheinlich war ein ehemaliger Gletscher daran schuld. Wolken zogen in rascher Folge vorbei, doch in der Ferne, gleich hinter dem Hügel, sah Grace, dass ihre dicken, schneegeblähten Unterseiten einen Lichtschein zurückwarfen. Der Mond? Ein Haus? Oder ein Wagen? Vielleicht ein paar Jugendliche, die sich an diesem gottverlassenen Ort mit Saufen die Nacht

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