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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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und sagte:
    Ja, direkt unter uns beginnt die Unterwelt! Das ganze Schloß ist unterkellert. Alles fensterlos und muffig. Die Haustechnik ist dort untergebracht, die Druckerei und ein Zimmer für Fahrer und Putzfrauen. Scheußlich. Wer nicht muß, geht da nicht runter. Früher war das aber wohl anders. Die Nazis haben extra einen Fluchtstollen graben lassen, vom Keller durch den halben Berg bis zu einem heute zugemauerten Felsenloch oberhalb der Stadt. Sogar eine geheime Falltür gab’s dafür. Romantisch, wie?
    Sie standen nun auf dem roten Läufer, der den rückwärtigen Flur bedeckte. Mehrere Türen, alle geschlossen, durchbrachen das Mauerwerk. Machte schon der vordere Teil der Halle einen kühl-abweisenden Eindruck, so war die leblose Architektur des Korridors noch mehr dazu angetan, ein Gefühl der Verlassenheit hervorzurufen.
    Überhaupt, dachte Gundelach, bin ich bisher außer Andreas Kurz noch keiner Menschenseele begegnet. Als wäre das Schloß ausgestorben oder verzaubert. Aber er dachte auch, daß diese Stille etwas außerordentlich Vornehmes hätte. Im Landratsamt rannte dauernd einer rum.
    Kurz erklärte, dies sei der Trakt mit den sogenannten Repräsentationsräumen. Dabei stieß er forsch die weißlackierte Mitteltür auf.
    Sie betraten ein helles ovales Zimmer ohne irgendwelches Mobiliar. Nur ein übergroßer Perserteppich bedeckte das Parkett. An der Decke, die mehr ornamentalen Schmuck aufwies als im Foyer, entfaltete sich ein üppiger Kristalleuchter. Die Leere des Raumes lenkte die Aufmerksamkeit jedes Eintretenden sofort auf die gegenüberliegende Glastür, hinter der eine Sandsteinbalustrade mit niedrigen Säulen die Terrasse von dem überwältigend weiten, zum Horizont hin abfallenden Parkgelände trennte. Zwei raumhohe Fenster zu beiden Seiten des gläsernen Durchgangs vollendeten das Szenarium eines bühnenartigen Landschaftspanoramas.
    Raffiniert! entfuhr es Gundelach.
    Ja, die verblichene Gräfin hatte schon was auf dem Kasten, stimmte Andreas Kurz zu. Die Anordnung dieses Ausgucks stammt von ihr selbst. Genau von hier aus konnte man, als die Bäume noch klein waren, bis zu Onkel Wilhelm runterschauen. Um ihren Gästen dieses Schauspiel zu bieten, veranstaltete Friederike regelrechte Partys, oder wie das damals geheißen haben mag. Mit dem riesigen Park im Vordergrund sah das untere Schloß nämlich richtig mickrig aus − wie ein Einfamilienhaus mit Dachausbau, denke ich mir. Und da hat die Gräfin jeden lustvoll mit der Nase draufgestoßen. War aber wohl auch so ziemlich das einzige Vergnügen der alten Dame. Sogar ein Gemälde hat sie in Auftrag gegeben, das die perspektivische Majestätsbeleidigung festhielt.
    Zwei Millionen Goldmark war ihr der Spaß wert? fragte Gundelach. Allerhand!
    Es gibt aber noch eine schöne Pointe, die Friederike freilich nicht ahnen konnte. Kommen Sie mal mit!
    Kurz öffnete die Flügel der Glastür und trat auf die Terrasse hinaus.
    Sehen Sie die hohe Baumgruppe? Jetzt schauen Sie mal etwas seitlich davon nach links, durch die Öffnung der äußersten Tanne. Wissen Sie, was das ist?
    Alles was Gundelach erkennen konnte, war ein ziemlich großes Loch im dunklen Geäst, mit einem länglichen braunen Fleck darin.
    Ein Gebäude? Der Bahnhof vielleicht?
    Der junge Mann kicherte entzückt.
    Der Bahnhof? Nein, viel besser … Der Landtag ist das, mein Lieber, der Landtag! Da liegt es, das Hohe Haus, genauso klein und mickrig wie einstmals die monarchistische Behausung. Auf dem Präsentierteller!
    So ein Zufall! staunte der Assessor.
    Zufall? Jetzt wollte sich Gundelachs Führer vor Lachen ausschütten. Hier oben ist nichts Zufall. Die Gärtner haben Anweisung, jedes Jahr an dieser Stelle die nachwachsenden Äste abzuschneiden. Sie wissen bloß nicht, warum. Und die Abgeordneten unserer Fraktion, die wir jeweils im Sommer zum Gartenfest auf Monrepos einladen, können es nicht fassen, daß das verdammte Loch immer noch nicht zugewachsen ist. Genial, nicht?
    Gundelach schüttelte ungläubig den Kopf. Ich werde noch viel lernen müssen, dachte er.
    Die Landschaft zu ihren Füßen lockte mit einem verschwenderischen Farbenspiel. Von der Terrasse führte eine geschwungene Freitreppe zu einer sorgfältig geharkten Kiesrabatte, in der das moosige Wasser eines alten, verwitterten Bassins wie ein blinder Spiegel ruhte und keine Notiz nahm vom prall aufbrechenden Leben ringsum. Gestutzte Platanen säumten die Wege. Fremdartige, kegelförmige Gehölze wechselten mit Buchen,

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