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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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über den Weg zu laufen. Und wirklich begegneten sie hier zum ersten Mal lebendigen Menschen und nicht bloß Möbeln, Bildern oder Schattengestalten. Ein Aktenbote schob gemächlich ein Wägelchen mit grünen und roten Pappdeckeln − ›Wegweiser‹ hießen sie, wie Gundelach aus den Augenwinkeln entzifferte; im Landratsamt hatte man sie schlicht Laufmappe genannt −; eine Sekretärin entschwand hoheitsvollen Ganges, Kaffeekanne in der Hand, hinter der Tür der Damentoilette; ein drahtiger blonder Mann sprang, flüchtig grüßend, die Treppe hinunter − ein Persönlicher Referent des MP, wie Kurz, der gar nicht erst den Versuch einer Vorstellung unternahm, dem Enteilten nachraunte.
    Alles auf diesem Stockwerk atmete Bedeutsamkeit. Hinter der weißlackierten Mitteltür, die es auch hier gab, lag der Kabinettssaal. Kurz rührte den schweren Messinggriff nicht an, sondern beschied Gundelach mit dem Hinweis, der Saal sei groß und oval und die Mitglieder der Regierung versammelten sich jeden Dienstag in ihm um einen Tisch, dessen Dimensionen man sich ebenso beeindruckend vorzustellen hätte wie den Rang der Örtlichkeit selbst. Linkerhand schloß sich das Sekretariat des Ministerpräsidenten an, das in Breisingers Amtszimmer überleitete − vollgestopft mit Empirekram und einem Schreibtisch, der statt Füßen Säulen hatte, wie Kurz zu berichten wußte. Gundelach meinte, ein derartiges imperiales Machtsymbol schon einmal gesehen zu haben, bei einem Klassenausflug nach Versailles. Er hatte es aufgeblasen und lächerlich gefunden und wollte das seinem Begleiter nicht vorenthalten − nicht zuletzt, um dessen Reaktion zu beobachten. Würde irgendein Anzeichen von Befriedigung darauf hindeuten, daß Kurz sich dem Ziel nahe wähnte, ihm doch noch auf die Schliche gekommen zu sein?
    Gleich darauf schämte er sich.
    Andreas Kurz aber eilte in seiner Beschreibung schon weiter, wobei er sich nicht mehr vom Fleck rührte. Nur der ausgestreckte Arm und leichte, ruckartige Drehungen des Oberkörpers wiesen die Richtungen, in denen man sich die kleinen und großen Herrscher des metairdischen Götterberges vorzustellen hatte: Dort, gegenüber der selbstverständlich stets verschlossenen Tür, hinter der Dr. Breisinger residiert, die Zimmer seiner zwei Persönlichen nebst deren Sekretärinnen. − Dort, wo der Flur in rechtem Winkel abbiegt, die Büros des Staatssekretärs und seines Mitarbeiters. − Am anderen Ende das Refugium des Ministerialdirektors, der sich mittags auf die Chaiselongue zu einem Schläfchen zurückzuziehen pflegt. − Durch den Fahrstuhlschacht verdeckt, Müller-Prellwitz’ meist unaufgeräumte Stube, drapiert mit einer Deutschlandfahne und einigen Militaria, die von der Passion des Hauptmanns der Reserve für die Bundeswehr künden. − Zwischendrin, nicht zu vergessen, der sogenannte Kleine Kabinettssaal, in dem die Amtsspitze mit den Herren Abteilungsleitern konferiert. − Und hier, direkt neben uns, nun ja, die Toiletten.
    Im ganzen war die Etage nicht eben ausgedehnt. Die Türen lagen enger beieinander als im Erdgeschoß. Gundelach wunderte sich, daß ihm das Schloß von außen so imposant erschienen war. Aber das mochte mit der Perspektive zusammenhängen, wenn man von unten heraufstieg. Andererseits trug gerade die konzentrierte Umlagerung der Amtsräume des Ministerpräsidenten zur Aura einer Wagenburg bei, in der eine verschworene Kampftruppe allen Eroberungsversuchen Schulter an Schulter Paroli bot. Wenn selbst den sonst mit ironischen Anmerkungen nicht geizenden Andreas Kurz vor soviel Machtballung der Mut verließ und er sich damit begnügte, wie ein vom Sturm gezauster Wetterhahn mal hierhin mal dorthin zu zeigen und dabei mit den Augen das jeweils entgegengesetzte Terrain zu sichern − wie mochte es dann Normalsterblichen, einfachen Bürgern etwa, ergehen?
    Der Assessor freilich besaß neben seinem immer wieder aufflackernden Mißtrauen auch die Gabe kindlicher Neugier. Das Leben als Spiel mißzuverstehen, hatte er noch nicht gänzlich abgelegt. Und so hätte er gern, allen Gefahren zum Trotz − denn was wäre ihm wohl eingefallen, wenn der Ministerpräsident des Landes, sein oberster Dienstherr, plötzlich aus der Tür tretend ihn nach seinem Begehr gefragt hätte? −, noch etwas länger ausgeharrt und sich vorwitzig nach diesem und jenem erkundigt. Allein, Andreas Kurz packte ihn, jetzt ganz Amtsperson, an der Schulter und erklärte den Rundgang für beendet.
    Wo befindet sich eigentlich

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