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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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man mir, ›Monrepos‹ sei überall, weil überall nach denselben politischen Strickmustern verfahren werde. Gerade deshalb wohl wurde der Roman in etlichen Staatskanzleien und, wie einige Zeitungen berichteten, auch im Kanzleramt zu einer Art Pflichtlektüre. Zu lesen, daß es anderswo genauso zugeht wie im eigenen Betrieb, hat etwas Tröstliches.
    Die seltsamsten Reaktionen erlebte ich allerdings in dem Land, dessen politisches Auf und Ab der Roman literarisch nachzeichnet. Im Nu kursierten in der Staatskanzlei und im Landtag von Baden-Württemberg unautorisierte Listen mit siebzig, achtzig Namen, die jede Romanfigur, zutreffend oder nicht, einer lebenden oder verstorbenen Person zuordneten. Wochenlang gab es in Stuttgarts politischen Zirkeln kein beliebteres Thema als die Frage, ob ein ehemaliger Regierungssprecher ›so etwas‹ habe schreiben dürfen. Kein Hauch jedoch einer kritischen, schon gar nicht selbstkritischen Reflexion über die politischen Usancen, die das Buch schildert. Das Staatsministerium hüllte sich in bockiges Schweigen, das nur dann nichts half, wenn auswärtige Besucher arglos die in ›Monrepos‹ beschriebenen Räumlichkeiten zu sehen wünschten. Der greise Hans Filbinger, einst ungekrönter Sonnenkönig im Ländle, merkte an, er habe das Werk mit Interesse gelesen, doch müsse es sich bei der darin erwähnten Staatskanzlei um eine andere als die seine handeln. Sein Nachfolger Lothar Späth ließ über die Presse verlauten, er werde sich das Buch allenfalls im Delirium antun − eine Äußerung, die viele Leser als peinlich empfanden. Sie hatten von einem, der sonst viel zu sagen weiß, Gehaltvolleres erwartet.
    Einzig Erhard Eppler, der frühere SPD-Landesvorsitzende und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, durchbrach die Phalanx der Verdränger und Verschweiger. Anläßlich einiger öffentlicher Veranstaltungen, bei denen wir uns auf dem Podium gegenübersaßen, äußerte er sowohl Anerkennung für den Mut, ein solch ›kathartisches‹ Buch zu schreiben, als auch tiefe Verletztheit über die moralische Bedenkenlosigkeit, mit der vor allem der ›Freiheit statt Sozialismus‹-Wahlkampf des Jahres 1976 gegen ihn geführt worden war. Epplers noch heute spürbarer zorniger Schmerz über die Diffamierungen, denen er sich als baden-württembergischer Oppositionsführer ausgesetzt sah, hat mich sehr berührt. Soweit ich an den damaligen publizistischen Kampagnen gegen ihn beteiligt war, entschuldige ich mich bei ihm dafür.
    Die Geschichte des Buchs »Monrepos« ist aber nicht nur eine Geschichte politischer Befindlichkeiten. Nachdem die erste Neugier gestillt, der erste Ärger verraucht war, setzte eine andere, für mich weitaus bedeutsamere Rezeption ein. Immer mehr Leserinnen und Leser, aber auch Rezensenten und Schriftstellerkollegen entdeckten im Schicksal der Hauptfigur Bernhard Gundelach die Parabel einer Persönlichkeitsentwicklung, deren Gefährdungen und Brüche sie aus eigenem Erleben der inhumanen Zwänge einer Ellbogengesellschaft nachvollziehen konnten. Auch die literarische Komponente des Romans geriet um so stärker ins Blickfeld, je mehr der politische Pulverdampf verrauchte.
    Diese Wendung, die ich erhofft, nach den politischen Turbulenzen der Anfangszeit aber kaum mehr erwartet hatte, erfüllt mich mit Befriedigung und Dankbarkeit. »Monrepos« ist die Geschichte menschlichen Suchens, Irrens und Findens – dies vor allem und zuallererst. Die Menschen, zu denen ich heute in Schulen, Bibliotheken und Kulturvereinigungen über das Buch spreche, verstehen es so. Und so, als comédie humaine eines nach vielen Wirrungen am Ende doch zu sich selbst Findenden, will es auch verstanden sein.
    Manfred Zach, im Februar 2012

Erstes Kapitel
    Vor dem von Säulen umrundeten Eingangsportal
    Den Hang hinauf, die schmal gewundene Serpentine zwischen Rhododendronstauden und Tulpenbeeten entlang, Höhe gewinnend, nicht viel, vierzig oder fünfzig Meter nur, doch genug, um den Atem schneller, gepreßter gehen und den Blick unsicher zwischen unten und oben schweifen zu lassen, wo sich, eben noch sichtbar, schiefergrau eingedeckte Häuschen duckten, Bedienstetenwohnungen mit schmucklosen Fassaden, während gegenüber das Fundament des Schloßgebäudes emporwuchs, von wildem Laub überwuchert, als gehörte es der Erde zu, ein ernster und strenger Körper, zu dem die lehmgelben Sandsteinquader in poröser Weichheit auffällig kontrastierten, um dann, endlich oben angekommen, mit

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