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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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das Zimmer von Herrn Bertsch? fragte Gundelach, während sie dem Ausgang zustrebten. Erst in diesem Moment war ihm bewußt geworden, daß er bei seinem ersten, der Vorstellung dienenden Besuch nichts von dem gesehen hatte, was ihm in der vergangenen Stunde gezeigt worden war. Oder war er nur zu aufgeregt gewesen, es zu bemerken? Wenigstens die Marmorstatue, auf deren reizvolle Rundungen sein Blick jetzt wieder fiel, hätte sich ihm doch einprägen müssen!
    Im linken Seitenflügel, antwortete Kurz, der mit jeder Stufe abwärts ein Stück Sicherheit zurückgewann. Es gibt einen eigenen Eingang dafür. Die Protokollabteilung und ein Teil der Pressestelle sind dort untergebracht.
    Sie verließen Schloß Monrepos auf demselben Weg wie sie gekommen waren, verschonten jedoch diesmal den Rasen. Dann bog Kurz auf einen schmalen Kiesweg ein, der seitlich des Hauses ins Dickicht des Parks führte. Da geht’s zu Ihrem Abteilungsleiter, sagte er.
    Der Nebeneingang war durch eine Hecke halb verdeckt. Gundelach konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wie er ihn auf Anhieb gefunden haben sollte. Seltsamerweise fehlte ihm jede Erinnerung an die äußeren Umstände seiner erstmaligen Annäherung an Schloß Monrepos, bis zu dem Zeitpunkt, da er sich im Besucherfoyer wiedergefunden hatte. Es ist wie verhext, dachte er. Als wäre ich damals in Trance gewesen. Er wollte das kleine Seitenportal öffnen, doch zu seiner Verblüffung ging Andreas Kurz geradeaus weiter.
    Wo bringen Sie mich hin? fragte er. Da war es wieder, das Mißtrauen.
    Zu Ihrem Arbeitsplatz. Was dachten Sie?
    Stumm durchquerten sie einen Ausschnitt jenes Geländes, das sie vom Panoramazimmer aus hatten einsehen können. Unter den Platanen hindurch, am zeitlos schweigenden Bassin vorbei, ausgetretenen Steinstufen folgend, einem von verwilderten Büschen gesäumten Sandweg entlang.
    Vor ihnen duckte sich eine flache Holzbaracke.
    Wir sind da, sagte Andreas Kurz.
    Die Tür stand offen. Das Geräusch eines ratternden Fernschreibers empfing sie.
    Gespräche der einen und der anderen Art
    Zwei Wochen war er nun schon auf Monrepos, wie es im Kollegendeutsch hieß. Den Schock, in einem Provisorium mit beständig knarrenden Dielen statt im Schloß untergebracht zu sein, hatte Gundelach rasch überwunden. In den verschlagartigen Zimmern, durch die jedes Niesen ungedämpft drang und vielstimmig mit Prost! Gesundheit! oder Gott schütz dich, Herzchen! beantwortet wurde, in denen man zum Hörer griff, wenn nebenan das Telefon läutete, wo die Türen aus Prinzip offenstanden und irgendwer immer nach Kaffee schrie, fiel es leicht, sich einzugewöhnen.
    Hier konnten, hier durften nur Pressemenschen arbeiten, die morgens als erstes die Krawatten in den Schrank schmissen, die Füße auf den Schreibtisch lümmelten und Zeitung lasen. Morgens? Sie trudelten frühestens um neun, viertelzehn ein, fragten mit schlafgeröteten Augen, wo der Pressespiegel bleibe, bedauerten pflichtschuldig denjenigen, der dran war, ihn fertigzustellen und deshalb seit acht Uhr mißgelaunt mit Schere und Uhu vor Zeitungsstapeln hockte, pilgerten, um das Eintauchen in den Büroalltag hinauszuschieben, zum Ticker und verlasen Nachtmeldungen über Schlachtmarktpreise, die kein Schwein interessierten, orderten bei den Sekretärinnen Kaffee und nochmals Kaffee und seufzten, daß es gestern wieder unchristlich spät geworden sei.
    Nach wenigen Tagen hatte Gundelach seine Befangenheit abgestreift. Die erste Pressemitteilung, die er schrieb, reichte ihm Bertsch fast unverändert zurück; nur die Überschrift hatte er gestrafft. Man merkt, daß Sie journalistisch tätig gewesen sind, sagte er anerkennend. Das wichtigste vornweg, die facts sauber dargestellt, keine zu langen Sätze. Und gottseidank beherrschen Sie den Konjunktiv. Wenn Sie mit der politischen Linie besser vertraut sind, können Sie dem Chef ruhig auch wörtliche Zitate in den Mund legen. Das macht’s noch lebendiger.
    Muß Dr. Breisinger das nicht vorher sehen und genehmigen? fragte Gundelach. Iwo, sagte Bertsch. Dazu hat er doch gar keine Zeit. Bei wichtigen Sachen ist es natürlich was anderes, aber da passe ich schon auf. Hier − lesen Sie sich in diese Unterlagen möglichst schnell ein!
    Er nahm einige Broschüren aus seinem Wandschrank und drückte sie dem Assessor einzeln in die Hand.
    Das ist die Regierungserklärung von ’73. Das die Halbzeitbilanz von ’75. Der dicke Wälzer enthält das Arbeitsprogramm der Landesregierung mit allen

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