Monrepos oder die Kaelte der Macht
der Regel keine große Rolle. Er vertritt den Minister bei weniger bedeutsamen Anlässen, sagt Grüß Gott und hält die Rede, die man ihm aufgeschrieben hat.
Da war es wieder, das mokante spitzmäulige Lächeln.
Bei uns, fuhr Zwiesel fort, ist alles etwas komplizierter. Der Ministerpräsident hat zwei Vertraute, mit denen er schon als Innenminister eng zusammenarbeitete. Wolf Müller-Prellwitz war Breisingers erster Persönlicher Referent, Günter Bertsch sein erster Pressereferent. Als er Regierungschef wurde, hat er beide natürlich mitgenommen und sie in kürzester Zeit zu Abteilungsleitern gemacht. Da waren sie noch nicht einmal vierzig Jahre alt. Allerhand, wie?
Gundelach bestätigte es, indem er etwas wie: Donnerwetter! murmelte.
Den Ministerialdirektor dagegen fand Breisinger auf Monrepos vor, denn Herr Renft diente schon unter Breisingers Vorgänger − der, nebenbei, seinen Nachfolger nicht übermäßig schätzte. Doch das ist eine andere Geschichte. Renft jedenfalls war und ist ein untadeliger, gewissenhafter Verwaltungschef, keine Frage. Welchen Grund hätte es also für den neuen MP geben sollen, ihn abzulösen? Zumal Renft damals schon Anfang fünfzig war und der CDU seit jungen Jahren angehörte?
Zwiesel machte eine wirkungsvolle Pause und kehrte sein Gesicht dem Assessor zu. Der Gipfelblick senkte sich zu Tal. Gundelach zuckte hilflos mit den Schultern. Wenn sogar Breisinger keinen Rat gewußt hatte, fiel ihm ganz sicher auch keiner ein!
Breisinger beließ Renft also auf dem Posten − Zwiesel bestieg wieder seinen Feldherrenhügel −, aber er machte schnell klar, von wem er politisch beraten zu werden wünschte und von wem nicht. Die Sache hatte jedoch einen Haken: Auch der Ministerialdirektor besaß einen Vertrauten, Ministerialdirigent Pullendorf, der Leiter der Landespolitischen Abteilung. Der hatte, zusammen mit Renft, unter Breisingers Vorgänger die Fäden in der Hand gehalten − und zwar eisern. Sie wissen, die Landespolitische Abteilung koordiniert die Arbeit der Ministerien. Pullendorf, ein exzellenter Fachmann, zudem durchsetzungsfähig bis zur Brutalität, tat noch weit mehr als das − er steuerte die Ministerien nahezu nach Belieben. Breisinger hätte es sich also gar nicht erlauben dürfen, ihn auszutauschen. Sie können sich vorstellen, was die Folge war.
Gundelach nickte, obgleich er allenfalls ahnte, welche Konflikte sich da aufgehäuft haben mochten. Zwiesel schien’s zufrieden.
Es bildeten sich also zwei ministerielle Machtzentren heraus: auf der einen Seite Breisinger, Müller-Prellwitz und Bertsch, die das Regieren in erster Linie parteipolitisch betrieben, auf der anderen Renft und Pullendorf als, sagen wir, klassische Sachpolitiker. Schnell kam es zu erbitterten Machtkämpfen hinter den Kulissen, und in der ersten Zeit war durchaus noch nicht entschieden, wer sich durchsetzen würde! Doch je mehr Breisinger an Statur gewann, um so größer wurde der Einfluß der parteipolitischen Fronde gegenüber der administrativen. Schließlich schwenkte auch Pullendorf langsam um, weil er fürchten mußte, sonst kaltgestellt zu werden. Immer öfter suchte er den direkten Weg zum Ministerpräsidenten, und der ließ ihn gewähren. Sein Sachverstand, wie gesagt, ist unübertroffen … Außerdem − hier zögerte Zwiesel − hat es in letzter Zeit zuweilen den Anschein, als agiere Müller-Prellwitz für Breisingers Geschmack schon etwas zu selbstherrlich. Davon machen Sie aber, bitte, gegenüber niemandem Gebrauch!
Gundelach beeilte sich, es zu versprechen. Wenig fehlte, und er hätte die Hand zum Schwur erhoben. Mit einer gewissen Heiterkeit, deren Anlaß unklar blieb, schnürte der Leitende Ministerialrat den Sack rhetorisch vollends zu.
Auf der Strecke, sagte er, blieb der Ministerialdirektor. Man mag es ungerecht, ja tragisch finden, aber so ist es nun mal. Je dünner die Luft, um so härter der Überlebenskampf. Und Renft hat sich inzwischen wohl damit abgefunden. Er hält die Grundsätze des Berufsbeamtentums hoch und betont das besonders gerne gegenüber neuen Mitarbeitern. − Sie sollten ihm also die Freude bereiten und sich möglichst fügsam und unpolitisch geben!
Das Ende von Zwiesels ministeriellem Psychogramm erfolgte so plötzlich, daß Gundelach es fast versäumt hätte, sein Wohlverhalten erneut zu beteuern. Auch war seine Aufmerksamkeit durch den Gedanken abgelenkt, daß sein Begleiter all dies wohl kaum aus eigenem Antrieb erzählt, sondern auf Weisung Bertschs
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