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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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gehoben.
    »Auf unsere Auberge «, hatte Paul grinsend wiederholt. »Am besten rufen wir gleich den Makler an und vergewissern uns, dass wir es uns tatsächlich leisten können!«
    Und genau das hatten sie getan. Sie waren überrascht gewesen, als sie den Preis hörten. Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein. Nachdem sie sich die Auberge angesehen und ihr ganzes Potenzial erkannten hatten, waren sie nach England zurückgekehrt und hatten sofort ihr Haus zum Verkauf angeboten. Die vier Monate, die es gedauert hatte, Käufer zu finden, waren ihnen wie eine Ewigkeit vorgekommen. Aber im Oktober, als auch Pauls Abfindung auf dem Konto eingegangen war, waren sie schließlich in der Lage gewesen, ein Gebot abzugeben. Zu ihrer großen Freude hatte man es angenommen.
    In den langen Tagen und schlaflosen Nächten, die folgten, hatten sie es sich in den schönsten Farben ausgemalt, in der Auberge zu wohnen und sich in dem wunderschönen Gebäude am Flussufer ein neues Leben als Hoteliers aufzubauen. Doch nun, da sie endlich angekommen waren, floss der Fluss viel schneller dahin, die Bäume waren kahl, und ihre nackten Äste reckten sich in den kalten Himmel – dabei hatte der Winter doch gerade erst begonnen. Es schien alles irgendwie viel trostloser. Offenbar hatte die Wirklichkeit sie eingeholt.
    Mit einem kleinen Frösteln kehrte Lorna dem Fluss den Rücken zu und schaute sich die Auberge zum ersten Mal seit ihrer Ankunft richtig an. Kaum etwas erinnerte an die einladende Fotografie, die sie in den letzten fünf Monaten auf ihrem Computerbildschirm gehabt hatte. Darauf waren sämtliche Fenster weit geöffnet gewesen, alles schien in weiches Licht getaucht, und man meinte die Wärme förmlich zu spüren. Heute wirkten die Steine der nach Norden gewandten Rückseite der Auberge grau und feindselig, die Fenster waren mit abblätternden Läden verschlossen, und abgestorbene Efeuranken bedeckten die Wände.
    Das Ganze braucht nur etwas liebevolle Pflege, sagte sich Lorna aufmunternd. Und bevor sie ihren Mut verlieren konnte, überquerte sie rasch die Terrasse und schritt auf eine Treppe zu, die zur Hintertür hinaufführte. Wenn sie erst einmal im Innern wären, würde sich ihre Stimmung gewiss gleich wieder heben.
    »Oh Gott. Was haben wir bloß getan?«
    Eine Stunde später, zurück auf der Terrasse, ließ sich Paul auf einen der Plastikstühle plumpsen und vergrub das Gesicht in den Händen. Zum ersten Mal, seit ihr Gebot für die Auberge Mitte Oktober akzeptiert worden war, beschlich ihn das Gefühl, dass sie sich übernommen hatten. Er hörte, wie Lorna hinter ihn trat, ihm die Hände auf die Schultern legte und ihn leicht drückte.
    Es war einfach nur schrecklich gewesen.
    Als sie den großen Speiseraum betraten, der den größten Teil des Erdgeschosses einnahm, hatten sie als Erstes den Geruch wahrgenommen. Er war nicht bloß muffig, sondern zugleich auch süßlich. Eine Kombination aus der fauligen alten Ausdünstung von Verwahrlosung und dem übermäßigsüßlichen Gestank von verwesendem Mäusefleisch. In dem schwachen Wintersonnenlicht, das durch die Löcher der vermodernden Läden drang, vermochten sie gerade einmal die dicke Staubschicht zu erkennen, die alles bedeckte, und die riesigen Spinnennetze, die sich von der Wand zur Decke und zum Holzofen erstreckten, und die Unmengen von Mäusekot auf der mächtigen Anrichte.
    Bereits entmutigt, waren sie zur Küchentür hinübergegangen. Als Lorna sie aufstieß und den Kopf hineinstreckte, huschte etwas über ihren Fuß nach draußen und flitzte in eine der dunklen Ecken des großen Raumes davon.
    Lorna erschauderte und unterdrückte einen Schrei. »Sag mir bitte, dass das bloß eine Maus war!«
    »Absolut. Das war eindeutig eine Maus«, log Paul und beobachtete die Gegend um seine Füße herum aufmerksam, für den Fall, dass dem Nager ein paar seiner größeren Kumpel folgten. »Wir hätten besser die verdammte Katze mit hereingebracht!«
    Als sie die Küche betraten, rückten sie instinktiv zusammen – der moralischen Unterstützung wegen –, und Paul schaltete seine Taschenlampe ein, um der Finsternis den Garaus zu machen. Er ließ den Strahl über die Edelstahlarbeitsplatte rechts von der Tür wandern. Weitere Mäuseköttel wurden sichtbar und ein Tellerstapel, dem man selbst im schummerigen Licht der Taschenlampe den stumpfen Film von altem Fett ansah.
    »Das Umwelthygieneamt würde hier drin Zustände kriegen«, konstatierte Paul und starrte auf eine pelzige

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