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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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blaue Masse auf einem Holzbrett.
    »Was ist das?«, flüsterte Lorna.
    Paul zuckte mit den Schultern. »Brot? Aber was immer es ist, nicht einmal die Mäuse haben es angerührt!«
    Lorna schüttelte ungläubig den Kopf. »Man kann nurhoffen, dass ihre Kochkünste besser gewesen sind als ihre Hygiene.«
    »Hmm, darauf würde ich eher nicht wetten.« Paul ging in die Hocke und deutete auf eine Vielzahl von Dosengroßpackungen für Gaststätten, die in einem Regal standen, und richtete den Strahl der Taschenlampe auf einige der Etiketten.
    Soßen für Spaghetti Bolognese und Bœuf Bourguignon, außerdem Coq au vin, Ravioli … es gab sogar mehrere riesige Dosen mit dem Regionalgericht Cassoulet, das aus grünen Bohnen, Würstchen und Entenbeinen bestand. So viel zu der berühmten französischen Hausmannskost. Offenbar hatte sie sich in diesem Restaurant des Dosenöffners bedient.
    »Haben wir noch Verwendung dafür?«, fragte Paul.
    Lorna ging ebenfalls in die Hocke und nahm einige der Dosen, die mit der unvermeidlichen Schicht aus Mäusekot und Fett bedeckt waren, genauer in Augenschein. Dann stieß sie ein gequältes Lachen aus und wandte sich Paul zu. »Das Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen.«
    »Schon lange?«
    »Bloß zwei Jahre.«
    »Du lieber Himmel! Bei allen?«
    »Bei den meisten. Bei manchen auch erst ein Jahr«, fügte sie trocken hinzu.
    Paul stieß einen leisen Pfiff aus. »Das Essen muss ja schrecklich gewesen sein!«
    Lorna nickte zustimmend und überlegte, was dies für sie als neue Besitzer und insbesondere sie als Köchin bedeutete. Da sie sich durchaus bewusst war, welch ein Wagnis es darstellte, zu versuchen, sich mit den Franzosen auf dem ihnen eigenen Gebiet der Kochkunst zu messen, war sie ein wenig erleichtert, sich der Vorstellung hingeben zu dürfen,dass die Vorbesitzer sich darin nicht gerade hervorgetan hatten. Die Einheimischen würden bestimmt überglücklich sein, ein Restaurant zu haben, das endlich echtes hausgemachtes Essen servierte und dazu Gemüse und Kräuter aus dem Garten verwendete, den sie anzulegen gedachte, zudem Zutaten aus der Region.
    Im Vergleich zu diesen in Massen hergestellten, industriell verarbeiteten Lebensmitteln in den Dosen vor ihr würde man ihre schlichten Rezepte sicherlich als Leckerbissen erachten. Lorna verspürte einen Adrenalinrausch, als sie sich die Gerichte vorstellte, die aus ihrer Küche kommen würden: gebratene Lachssteaks mit Fenchel und Lauch in Wermutsoße, Hähnchenbrust mariniert in Zitrone, Rosmarin, Thymian und natürlich jeder Menge Knoblauch, Saucisse de Toulouse schonend gekocht in Apfelwein und serviert mit Salbei-Kartoffelpüree … Während ihre Gedanken abschweiften, begannen ihre Nasenlöcher angesichts der Wohlgerüche, die ihre Phantasie heraufbeschwor, zu zucken. Erst als Paul ihre Tagträumerei unterbrach, bemerkte sie, dass ein ganz anderer Geruch sie zum Zucken brachte.
    »Was zum Teufel ist das für ein furchtbarer Gestank?«, fragte er und schnitt eine Grimasse.
    Lorna schnupperte zaghaft, und tatsächlich war der vorherrschende Modergeruch, den sie beim Hereinkommen bemerkt hatten, von etwas Stärkerem überdeckt worden.
    Sie richteten sich beide auf, wandten sich dem hintersten Ende der Küche zu und folgten dem Gestank, während Pauls Taschenlampe eine Grillplatte ausmachte, die mit einer zentimeterdicken, eingebrannten schwarzen Kruste bedeckt war, und eine Fritteuse mit offenstehendem Deckel, in der eine ertrunkene Eidechse gerade noch sichtbar in den trüben Tiefen des Öls schwamm. Sie starrten für einige Sekunden sprachlos vor Schreck auf das tote Reptilherab, und Lorna zerbrach sich den Kopf, ob die Auberge schon derart verwahrlost gewesen war, als sie sie im Juni besichtigt hatten. Oder hatten sie vielleicht nur alles durch eine allzu rosarote Brille betrachtet?
    Als sie von der Fritteuse wegtraten und auf den Kühlschrank zugingen, wurde der üble Geruch immer penetranter.
    »Verdammt! Was zum Henker ist denn das?«, fragte Paul wieder, der sich angesichts des unerträglichen Gestanks in Notwehr den Arm vor die Nase hielt.
    »Ich glaube, das hier ist der Übeltäter.« Lorna zog an dem Griff des riesigen Gastronomie-Kühlschranks und schloss die Tür dann ebenso schnell wieder, wie sie sie geöffnet hatte, weil ihr ein Hustenanfall den Atem nahm. Aber es hatte ausgereicht, um ihr einen Blick auf den schwarzen Schleim zu gewähren, der über die Einlegeböden kroch, und auf die dicke Schimmelschicht, die den

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