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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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gerade mal einen Einführungskurs am Sarah Lawrence absolviert, und das ist auch schon im letzten Jahrhundert gewesen.«
    »Ich wette, Sie haben ziemlich viel Ahnung.«
    Sie lächelte. »Wieso? Weil ich alt bin? Sie müssen deswegen nicht rot werden, ich bin alt.« Sie strich sich kurz über ihre faltige Wange. »Das Fleisch lügt nicht. Wer hat das noch mal gesagt? Samuel Butler? Oder war ich’s vielleicht sogar selber? Egal, jedenfalls tut’s mir Leid, dass ich Ihnen, was Peake angeht, auch keine neuen Erkenntnisse liefern kann. Und jetzt gehen Sie wieder. Zu schade. Sie sehen gut aus, und ich hatte mich schon richtig darauf gefreut.«
    »Sich über Treadway zu unterhalten?«
    »Über Treadway herzuziehen.«
    »Wie lange haben Sie in Treadway gewohnt?«
    »Zu lange. Ich fand das Kaff schon immer zum Kotzen. Als die Morde passiert sind, habe ich in Bakersfield gearbeitet. Bei der Handelskammer. War zwar auch nicht gerade eine Weltmetropole, aber wenigstens gab es so was wie Spuren von Zivilisation. Bürgersteige zum Beispiel. Und nachts habe ich meinem Mann dann geholfen, die Zeitung unter Dach und Fach zu bringen. Wenn man das so nennen konnte.«
    Sie hob den Becher und trank einen Schluck Suppe. »Haben Sie das Blatt gelesen?«
    »Zwanzig Jahrgänge.«
    »Großer Gott. Wo haben Sie die denn aufgetrieben?«
    »In der Beale-Memorial-Bibliothek.«
    »An der Motivation scheint’s bei Ihnen ja nicht zu liegen.« Sie schüttelte den Kopf. »Zwanzig Jahrgänge. Wenn Orton das wüsste, das würde ihn glatt umhauen. Er wusste ziemlich genau, wo er gelandet war.«
    »Das Zeitungsgeschäft hat ihm keinen Spaß gemacht?«
    »Das Zeitungsgeschäft mochte er schon. Er hätte eben lieber die New York Times herausgegeben. Er war in Dartmouth. Der Intelligencer - das stinkt doch förmlich nach Ostküstenfeinsinnigkeit. Unglücklicherweise lag er mit seinen politischen Ansichten noch rechts von Joe McCarthy, und das war nach dem Krieg nicht besonders in Mode. Außerdem hatte er ein kleines Problem.« Sie schüttete sich einen imaginären Drink in den Mund. »Einundfünfzigprozentiger Rum - die Vorliebe dafür hat er als Soldat im Pazifik entwickelt. Trotzdem ist er siebenundachtzig geworden. Erst hatte er Gaumenkrebs, davon hat er sich wieder erholt, dann Leukämie, aber auch damit ist er fertig geworden. Schließlich kam die Leberzirrhose, und auch die hat Jahre gebraucht, bis sie ihn endlich totgekriegt hat. Sein Arzt hat beim Anblick einer Röntgenaufnahme seiner Leber gesagt, er wäre ein medizinisches Wunder - er war ein gutes Stück älter als ich.«
    Sie lachte, stand auf, füllte ihre Tasse nach und kam wieder zurück. »Der Intelligencer war Ortons Endstation auf dem Weg nach unten. Angefangen hatte er beim Philadelphia Enquirer, und von da an ging’s nur noch bergab mit ihm. Treadway war unsere letzte Station - wir haben das Blatt für ‘n Apfel und ’n Ei gekauft und uns in ein Leben in tödlicher Ödnis und vornehmer Armut gefügt. Mein Gott, habe ich dieses Kaff gehasst. Die Leute - einer dümmer als der andere. Sozial-Darwinismus nennt man so was wohl: Die Schlauen hauen ab in die Großstädte, und nur die Idioten bleiben und vermehren sich.« Wieder lachte sie. »Orton sagte immer, >mit Vollgas im Rückwärtsgang<. Die Fortpflanzung haben wir uns bewusst verkniffen.«
    Ich vermied es, einen Blick auf die Puppensammlung in der Küche zu werfen.
    Sie sagte: »Der einzige Grund, warum ich geblieben bin, war, dass ich den Kerl liebte. Er sah wirklich gut aus, sogar besser als Sie. So männlich.«
    Sie schlug die Beine übereinander. Klimperte sie mit den Wimpern, oder bildete ich mir das nur ein?
    Ich sagte: »Nach allem, was ich so gehört habe, waren die Ardullos aber nicht gerade blöde.«
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Klar, weiß ich. Butch war in Stanford - das hat er jedem erzählt, der ihm über den Weg gelaufen ist. Aber doch nur, weil er Football spielen konnte. Alle haben ihn gemocht, außer mir. Sicher, oberflächlich betrachtet war er ganz nett. Einer, der fest überzeugt war, dass er auf Frauen wirkt wie ein Magnet, und bewusst seinen Charme einsetzt. Aber zu viel Selbstvertrauen bei einem Mann kann auch ziemlich unattraktiv wirken, besonders wenn es ungerechtfertigt ist. Butch hatte keinen Pep - er war solide und geradeaus wie ein Pferd mit Scheuklappen. Man brauchte ihn nur in eine Richtung zu schubsen, und schon ist er losgetrottet wie ein Ackergaul. Und seine Frau erst. Dieses

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