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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Wahnsinn auf Rädern, nannte man so was heutzutage, als ob es etwas änderte, wenn man die Dinge mit Schlagwörtern versah.
    Es dauerte zwei Stunden, bis ich wieder in L.A. war, und als ich endlich die West Side erreichte, war der Himmel nur noch ein zinnoberroter Schleier mit tiefschwarzen Flecken. Zu spät, um noch unangemeldet bei einer alten Frau vorbeizufahren.
    Ich tankte an der Ecke Sunset und La Brea und rief noch einmal bei Wanda Hatzler an. Diesmal nahm sie den Hörer ab. »Kommen Sie vorbei«, sagte sie. »Ich warte schon die ganze Zeit.«
    »Sind Sie sicher, dass es Ihnen nicht zu spät ist?«
    »Erzählen Sie mir bloß nicht, Sie sind einer von diesen Morgenmenschen.«
    »Eigentlich nicht.«
    »Na prima«, sagte sie. »Morgenmenschen sollte man dazu verdonnern, Kühe zu melken.«
     
    Ich rief zu Hause an, um Robin zu sagen, dass es später werden würde, doch auf dem Anrufbeantworter war eine Nachricht von ihr, die besagte, dass sie noch bis acht Uhr in Studio City war, um irgendwelche Reparaturen in einem Tonstudio durchzuführen. Parallelität der Ereignisse bei Hyperaktiven. Ich machte mich auf den Weg nach Santa Monica. Wanda Hatzler wohnte in der Yale Street, südlich des Wilshire in einem Stuckbungalow mit grünem Dach und einem Vorgarten, der bepflanzt war mit Lavendel, wilden Zwiebeln, Thymian und diversen Kaktussorten. Zwischen den Pflanzen prangte das Hinweisschild einer Sicherheitsfirma, doch das Grundstück war nicht von einem Zaun umgeben.
    Als ich den Wagen eingeparkt hatte, stand sie bereits am Bordstein. Sie war nicht gerade schmächtig - fast einsachtzig groß, breite Schultern und kräftige Arme und Beine. Ihr Haar war kurz geschnitten, doch die Farbe ließ sich in der Dunkelheit nicht ausmachen.
    »Dr. Delaware? Wanda Hatzler.« Ein kurzer, fester Händedruck. Ihre Hände waren rau. »Ihr Wagen gefällt mir - wir hatten einen Fleetwood, bis Orton nicht mehr fahren konnte und ich es leid war, die Ölkonzerne zu unterstützen. Zeigen Sie mir irgendwas, um sich auszuweisen, nur um sicherzugehen, und dann gehen wir rein.«
    Im Inneren des Hauses war es ziemlich eng. Es war warm und hell, mit Paneelen aus Eschenholz an den Wänden, und überall standen Sessel herum, die mit braunen Paisleystoffen in mindestens drei Variationen bezogen waren. An den Wänden Georgia-O’Keefe-Drucke, dazu kalifornische Landschaftsbilder in Öl, die von schlammigen Brauntönen beherrscht wurden. Ein kleiner Flur zur Küche, wo Stoffpuppen auf dem Tresen arrangiert waren, die aussahen wie ein Kindergarten in allen möglichen Kostümen und Trachten. Ein alter zweiflammiger Herd in Weiß. Darauf eine Kasserole, unter der blaue Flammen loderten. Plötzlich wurde eine Kindheitserinnerung in mir wieder wach: Der Geruch einer Gemüsesuppe aus der Dose an einem kalten Nachmittag. Ich versuchte Peakes Kochkünste aus meiner Vorstellung auszublenden.
    Wanda Hatzler schloss die Tür und sagte: »Machen Sie sich’s bequem.«
    Ich setzte mich auf einen der Paisleysessel, während sie stehen blieb. Sie trug einen dunkelgrünen Pullover mit V-Ausschnitt über einem weißen Rolli, dazu bequem sitzende graue Hosen und braune Slippers. Ihr Haar war schwarz, mit Silber durchsetzt. Unmöglich zu sagen, wie alt sie war. Irgendwas zwisehen siebzig und fünfundachtzig. Sie hatte ein breites Gesicht mit hängenden Wangen wie ein Basset und Falten wie schon mal benutztes Geschenkpapier. Ihre blassgrünen Augen zogen meinen Blick unwillkürlich auf sich. Obwohl sie nicht lächelte, schien sie sich ganz gut zu amüsieren - zumindest kam es mir so vor.
    »Irgendwas zu trinken?«, fragte sie. »Coke, Coke Light oder einundfünfzigprozentigen Rum?«
    »Nein danke.«
    »Wie wär’s mit einer Suppe? Ich wird selbst gleich eine essen.
    »Nein danke.«
    »Sie sind ja ein schwieriger Kunde.« Sie ging in die Küche, füllte einen Becher mit Suppe, kam wieder zurück, setzte sich, pustete in die Suppe und trank davon. »Treadway, was für ein Loch. Wie um alles in der Welt kommen Sie dazu, darüber Näheres erfahren zu wollen?«
    Ich erzählte ihr von Ciaire und Peake, wobei ich es als eine verunglückte Beziehung zwischen Patient und Therapeut darstellte, ohne den Aspekt des Prophetentums und auch die anderen Morde zu erwähnen.
    Sie stellte ihre Tasse ab. »Peake? Ich hatte ihn immer nur für zurückgeblieben gehalten. Dass er gewalttätig sein könnte, hätte ich nie vermutet, aber was weiß ich schon. Was Psychologie angeht, habe ich

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