Monster
Häuser wohlgemerkt, nicht bei Ciaire.
Wir gingen zur Haustür hinauf. Schöne Aussicht in alle Richtungen. Der Freeway war meilenweit entfernt, doch man konnte ihn noch immer hören. Aber heutzutage war es ja fast so, als würde man ihn überall hören.
An der Tür das Siegel des LAPD. Milo hatte einen Schlüssel und öffnete die Tür. Ich folgte ihm und stand einen Augenblick später in einem engen, kahlen Raum, den man schwerlich als Hausflur bezeichnen konnte. Zwei weiße Wände gingen zu beiden Seiten im rechten Winkel ab zum Wohnzimmer.
Bewohnt sah es allerdings nicht aus.
Kahle Wände, abgezogene Dielen. Kein einziges Möbelstück.
Milo machte drei hallende Schritte und stand in der Mitte des Zimmers. Über seinem Kopf hing eine Lampe. Nur eine billige Milchglasschale, die aussah, als hätte sie schon immer hier gehangen.
Gardinen aus Chenille tauchten die Fenster in ein bräunliches Licht. Die Wände wirkten sauber, doch auch sie nahmen allmählich den gleichen grauweißen Ton an wie die Fassade.
Was meine Aufmerksamkeit erregte, waren die Fußböden - lackiert, glänzend, keinerlei Kratzer, Dellen oder Furchen. Als ob die Bewohner sich hier schwebend statt gehend fortbewegt hätten.
Mir war, als hätte ich Atembeschwerden. Das Haus hatte keinerlei Geruch. Weder der Gestank des Todes noch die üblichen Gerüche des Alltagslebens hingen in der Luft. Es roch nicht nach Essen, nicht nach Schweiß, Parfüm, Schnittblumen oder Lufterfrischer. Man roch nicht einmal, dass das Haus nicht benutzt wurde.
Ein Haus, in dem sich die Leere breit gemacht hatte. Es schien luftleer, als ob jegliches Leben hier unweigerlich verkümmern müsste.
Ich zwang mich, tief einzuatmen. Milo stand noch immer in der Mitte des Raumes. Seine Finger trommelten gegen das Hosenbein.
»Urgemütlich«, sagte ich und verstand, warum er wollte, dass ich mir das hier ansah.
Ganz langsam drehte er sich um und ließ die Leere auf sich wirken, die sich links von ihm auftat, wo die Küche angrenzte. Ein einzelner Hocker aus Eichenholz an einem Tresen. Weißes Resopal mit goldener pseudomarmorierter Maserung. Darauf nichts außer den schwarzen Grafitflecken der Spurensicherung, ebenso wie bei den anderen Absteilflächen und Schränken. An der hinteren Wand hing ein leeres Gewürzregal aus Holz. Ein weißer, vierflammiger Gasherd, der mindestens zwanzig Jahre alt war, ein Kühlschrank gleicher Farbe und gleichen Alters. Ansonsten keine weiteren Küchengeräte.
Milo öffnete den Kühlschrank und sagte: »Joghurt, Trauben, zwei Äpfel, Backpulver … das Backpulver wegen dem frischen Geruch. Sie hatte es gern ordentlich. Genau wie Richard … Das große Vereinfachen.«
Er begann die Schränke und Schubfächer aufzuziehen und wieder zu schließen. »Weißes Steingutgeschirr von Noritake, ein Service für vier Personen … dito die rostfreien Bestecke … Alles voller Fingerabdruckpuder … Eine Bratpfanne, eine Saucenpfanne, Salz, Pfeffer, sonst keine weiteren Gewürze … ein Leben, dem die Würze abging?«
Weiter zum Herd. Er hob die Roste hoch und sagte: »Sauber. Entweder hat sie nie gekocht oder sie hatte einen Putzfimmel. Oder jemand anders hatte einen.«
Ich starrte zurück in das leere Zimmer, das wir zuerst betreten hatten. »Hat die Spurensicherung das Mobiliar ins Labor geschafft?«
»Nein, nur ihre Kleider. So wie’s jetzt ist, war’s schon, als wir reinkamen. Mein erster Gedanke war, dass jemand die Bude ausgeräumt hat, oder dass sie gerade erst eingezogen war, oder dabei war auszuziehen. Aber ich habe keine Hinweise finden können, dass sie weg wollte, und laut Mietvertrag wohnt sie hier schon seit zwei Jahren.«
Ich deutete auf den jungfräulichen Fußboden. »Entweder hatte sie vor, sich neu einzurichten, oder sie hat sich nie die Mühe gemacht, überhaupt Möbel aufzustellen.«
»Wie schon gesagt, man stochert im Leeren herum. Komm mit, wir sehen uns den Rest an.«
Ein Flur führte zum Bad und zwei kleinen Schlafzimmern, von denen im ersten ein kleines Büro eingerichtet war. Kein Teppich, sodass jeder Laut von den Wänden widerhallte, und der Dielenboden ebenso unversehrt wie im Wohnzimmer.
Milo ging im Flur auf die Knie und strich mit den Fingern über die glatten, blitzsauberen Eichenbretter. »Vielleicht hat sie die Schuhe ausgezogen, wie in Japan.«
Wir nahmen uns zuerst das Schlafzimmer vor. Ein Bettkasten samt Matratze auf dem Fußboden. Kein Kopfteil. Eine Kommode aus Pecanfurnier sowie ein dazu
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