Monster
passender Nachttisch. Darauf ein Taschentuchspender und eine Lampe aus Keramik, deren Fuß weiß und oval war und an einen großen Konkon erinnerte. Auch hier kleine Strudel von Grafitpuder und die konzentrischen Ringe verborgener Fingerabdrücke.
»Ihre Bettwäsche ist im Labor«, sagte Milo, »zusammen mit ihren Klamotten.«
Er hob die Matratze in die Höhe und schob die Hand unter den Bettkasten. Er öffnete den Schrank. Leer. Ebenso die Kommode.
»Ich war dabei, als sie ihre Wäsche eingepackt haben«, sagte er. »Keine versteckte Reizwäsche, einfach nur das übliche weiße Baumwollzeug. Viel Garderobe hatte sie nicht: Kleider, Pullis, Röcke. Recht guter Geschmack. Von Macy’s und ein paar Ladenketten aus der unteren Preisklasse. Keine teuren Sachen.«
Er rückte die Matratze wieder zurecht, schaute zur Zimmerdecke und wieder auf den leeren Schrank. »Sie war nicht dabei auszuziehen, Alex. So hat sie gelebt. Wenn man das so bezeichnen kann.«
In dem kleinen Arbeitszimmer faltete er die Hände zusammen wie zum Gebet und sagte: »Gib mir irgendwas, womit ich arbeiten kann, o Herr.«
»Ich dachte, du hättest schon alles durchgesehen.«
»Nicht richtig. Ging ja nicht mit all den Leuten von der Spurensicherung. Die Schachtel da war das Einzige.« Er deutete auf eine Dokumentenbox auf dem Boden. »Da habe ich auch die Scheidungsunterlagen gefunden. Lagen ziemlich weit oben.«
Er ging auf den Schreibtisch zu und musterte die Bücher auf den billigen Sperrholzregalen, die zwei Wände bedeckten. Die Fächer waren so vollgestopft, dass die Bretter sich durchbogen. Bändeweise Fachliteratur zu Psychologie, Psychiatrie, Neurologie, Biologie und Soziologie sowie gebundene Jahrgänge von Fachzeitschriften, die nach dem Erscheinungsdatum geordnet waren. Weißer Puder und Fingerabdrücke überall.
Milo hatte die oberste Schublade geöffnet, hatte jedoch nur Büroklammern, Heftklammern und Notizzettel gefunden. Nun wühlte er sich durch die zweite Schublade. »Okay, da haben wir’s.« Er wedelte mit einem in rotes Kunstleder eingeschlagenes Sparbuch. »Century Bank, Filiale Sunset und Cahuengs … so, so, arm war sie schon mal nicht.«
Ich ging zu ihm hinüber und betrachtete die Seite, die er mir hinhielt. Kontostand rund 240.000 Dollar. Er blätterte zurück zur ersten Seite. Die erste Buchung war vor drei Jahren erfolgt, ein Übertrag von einem früheren Sparbuch, und damals hatte der Kontostand sich auf achtundneunzigtausend Dollar weniger belaufen.
Sie hatte innerhalb von drei Jahren um knapp hunderttausend zugelegt. Die Buchungen folgten einem konstanten Schema: Keine Abbuchungen, regelmäßige Einzahlungen in Höhe von dreitausend Dollar am Ende jedes Monats.
»Wahrscheinlich ein Teil ihres Gehalts«, sagte ich.
»Theobold hat gesagt, dass sie netto auf ungefähr viertausend im Monat kam, also hat sie vermutlich drei auf die hohe Kante gelegt und mit dem restlichen Tausender die laufenden Kosten abgedeckt. Sieht so aus, als hätte sich daran während ihrer Zeit in Starkweather nicht viel geändert. Was auch nicht weiter verwunderlich ist, denn sie liegt da in etwa in der gleichen Gehaltsklasse.«
»Trotzdem eher spärlich«, sagte ich. »Wie hat sie ihre Rechnungen bezahlt? Und ihre Steuern? Hatte sie auch ein Girokonto?«
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Milo die entsprechenden Unterlagen in der gleiche Schublade gefunden hatte. »Monatliche Einzahlungen in Höhe von fünfhundert Dollar … immer am letzten Freitag eines Monats - am gleichen Tag, an dem sie auch die Einzahlungen auf das Sparkonto gemacht hat. Die Frau hat funktioniert wie ein Uhrwerk … Sieht so aus, als hätte sie in erster Linie Schecks über kleine Beträge ausgestellt - vermutlich Anschaffungen für den Haushalt… vielleicht hatte sie auch eine Kreditkarte und hat den Rest ihrer Rechnungen in bar bezahlt. Also hatte sie in etwa fünfhundert oder so im Haus. Oder in ihrer Handtasche. Für einen Junkie wäre das schon eine recht fette Beute. Aber irgendwie kommt mir das Ganze nicht vor wie ein Raubüberfall, was meinst du?«
Ich sagte: »Nein. Trotzdem, es sind schon Leute wegen weniger umgebracht worden. Wie hast du sie identifiziert, wo sie doch keine Handtasche dabei hatte?«
»Die KFZ-Zulassungsstelle hat uns ihren Namen gegeben. Wir haben ihre Fingerabdrücke durch den Computer gejagt und mit ihrer Lizenz als Psychologin abgeglichen … Überfallen und ausgeraubt von einem dämlichen Junkie, das wäre ein Ding, oder?
Weitere Kostenlose Bücher