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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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kannten sie.«
    »Irgendwelche Besucher?«
    »Wenn, dann ist es niemandem aufgefallen«, sagte er. »Haargenau wie bei Richard. Sie hatte allerdings einen Ex-Mann. Heißt Joseph Stargill, ist Anwalt und wohnt mittlerweile in San Diego. Ich hab ihn schon angerufen.«
    »Wie hast du ihn gefunden?«
    »Ich habe ein paar Scheidungsunterlagen gefunden, die sie zu Hause in ihrem Arbeitszimmer aufbewahrt hat. Ich habe heute Morgen mit Dr. Theobold telefoniert, der sich übrigens schon freut, sich mit dir von Seelenklempner zu Seelenklempner zu unterhalten. Er meinte, er könnte sich vage daran erinnern, dass Claire sich hat scheiden lassen. Er selbst hat es allerdings auch nur durch Zufall erfahren. Die Mitarbeiter müssen jedes Jahr ihre Lebensläufe aktualisieren. In den vergangenen Jahren stand bei Ciaire in der Spalte Familienstand immer »verheiratet«; dieses Jahr war es mit Tipp-Ex überpinselt und stattdessen hatte sie »geschieden« eingetragen.
    »Dann ist es also erst vor kurzem passiert«, sagte ich.
    »Theobold hat ihr deswegen keine Fragen gestellt?«
    »Er sagte, sie sei nicht der Typ für persönliche Unterhaltungen gewesen.«
    »Vielleicht war das der Grund, warum sie in Starkweather angefangen hat.«
    »Was meinst du damit?«
    »Das große Ausmisten. Sämtliche Brücken hinter sich niederreißen. In Starkweather braucht man nichts weiter zu tun, als pünktlich zum Dienst erscheinen, kein großes Aufsehen erregen, und schon wird man in Ruhe gelassen. Dr. Aldrich meinte ja auch, dass das Team ziemlich große Handlungsspielräume hat. Vielleicht wollte sie ja klinische Arbeit machen, hatte aber Angst, sich zu sehr auf die Patienten einzulassen. Indem sie sich mit Psychotikern umgab, konnte sie diesen Druck umgehen, und so lange keiner ihrer Patienten gewalttätig wurde oder ausrastete, konnte sie mit ihnen machen, was sie wollte. Der große Befreiungsschlag.«
    »Befreiung wovon?«
    »Vom akademischen Milieu. Von emotionalen Verstrickungen. Ihre Scheidung lag noch nicht allzu lange zurück. Die Tatsache, dass sie nicht drüber geredet hat, muss nicht bedeuten, dass sie nicht darunter litt. Menschen, die Veränderungen durchmachen in ihrem Leben, versuchen häufig, dem dadurch beizukommen, dass sie es vereinfachen.«
    »Du betrachtest Starkweather als Vereinfachung?«
    »In einem gewissen Sinne, ja.«
    Er erwiderte nichts, sondern gab stattdessen noch mehr Gas.
    Ein paar Meilen später sagte er: »Andererseits mit irgendjemandem muss sie sich auf eine Verstrickung eingelassen haben. Mit demjenigen, der ihr die Kehle durchgeschnitten hat.«
     
    Es war ein Haus wie viele andere.
    Ein Flachbau mit Rauhputzfassade, die im Laufe der Jahre einen milchigen Grauton angenommen hatte. Schwarzes Schindeldach. Eine Garage für einen Wagen, dafür aber zwei Stellplätze in der Auffahrt. Ein typischer schmuckloser Bungalow, wie sie in den späten fünfziger Jahren reihenweise an den Hügeln der Stadt hochgezogen wurden und deren Nüchternheit Modernität verkörpern sollte, in Wirklichkeit jedoch das Resultat einer strengen Finanzplanung war. Die Straße hieß Cape Horn Drive und war nichts weiter als eine Sackgasse, die in nördlicher Richtung vom Woodrow Wilson hügelwärts abging und deren Ende ein riesiger Tipu-Baum markierte. Weitere Bäume der gleichen Sorte neigten sich über den Gehweg, der an den Stellen, wo er nicht von den Ästen beschattet wurde, trocken und bleich vor uns lag.
    Es war das zweite Haus vom Anfang der Straße aus gesehen und das Dritte vom Ende. Insgesamt standen hier nur acht Anwesen, alle bis auf kleine Variationen so ähnlich wie das von Ciaire Argent. Am Straßenrand standen kaum geparkte Autos herum, doch da die Garagentore allenthalben geschlossen waren, war nicht klar, was dies bedeutete. In der Nähe gab es weder eine große Kreuzung noch irgendwelche Läden. Man musste schon einen konkreten Anlass haben, um hierher zu kommen.
    Hier oben herrschte eine leichte Brise. Die Tipu-Bäume waren von einem feuchten Glanz überzogen und ihre farnartigen Blätter zischten im Wind. Es waren eigenartige Pflanzen, die in einem Gegensatz zu ihrer Umgebung standen. Sie verloren ihre Blätter im Frühling, wenn alles andere zu blühen und sprießen begann, und dann, wenn die anderen Bäume ihr Laub verloren, waren die Tipus übersät mit gelben Blüten. Doch so weit war es noch nicht. Die einzigen Farbtupfer sprossen in den Blumenkästen und -topfen in den Vorgärten und Fenstern der Häuser. Der anderen

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