Monster
Arbeitszimmer?«, sagte Milo.
»Arbeit mit nach Hause zu bringen war nicht mein Ding, und wenn, dann habe ich den kleinen Schreibtisch im Schlafzimmer benutzt.«
In jenem Zimmer angelangt, riss er erstaunt die Augen auf. »Hier sind alle Erinnerungen ausgelöscht. Wir hatten ein Doppelbett mit Messingrahmen, Tagesdecke und antiken Nachttischen. Anscheinend stand Ciaire der Sinn nach einem radikalen Umbruch.«
Seinem Gesichtsausdruck war anzumerken, dass er es persönlich nahm. Er warf einen Blick in den leeren Schrank. »Wo sind ihre ganzen Kleider?«
»Im Polizeilabor«, sagte Milo.
»O Mann, ich muss hier raus.« Er griff sich an den Bart, als müsste er sich daran festhalten, und verließ das Zimmer.
Er ging nach draußen, nahm den Karton mit den Dokumenten aus seinem BMW, ließ den Motor aufheulen und rauschte den Hügel hinunter.
»Was hältst du von dem Kerl?«, sagte Milo.
»Er hat eine ganze Ladung Probleme, aber eigentlich geht es ihm so weit ganz gut. Und außer wenn Ciaire finanziell nicht so entgegenkommend war, wie er es darstellt - oder er nicht so reich ist -, wo liegt sein Motiv?«
»Dreihunderttausend ist auch dann noch ein ziemlicher Haufen, wenn davon noch Steuern abgehen. Und selbst Leute mit Geld kommen gelegentlich in Schwierigkeiten. Ich werde jedenfalls seine Finanzen mal genauer unter die Lupe nehmen. Was meinst du mit >Problemen«
»Dass er sich in aller Öffentlichkeit ausheulen muss - uns seine Lebensgeschichte auftischt. Vielleicht war es ja das, was Ciaire an ihm so anziehend fand. Jemand, der so sehr mit sich selbst beschäftigt war, dass er gar nicht erst den Versuch machen würde herauszubekommen, was in ihrem Kopf vor sich ging. Die Geschichte ihrer Ehe hört sich so an wie eine Affäre mit einem Fremden, die irgendwann schal wurde. Das deutet daraufhin, dass Claire eine impulsive Ader hatte, sowohl sexuell als auch anderweitig. Stargill sagt, sie sind sich den Großteil ihrer Ehe aus dem Weg gegangen, was bedeutet, dass sie beide die Gelegenheit zu diversen Affären hatten. Vielleicht hat Ciaire sich immer wieder mit irgendwelchen Fremden eingelassen und ist schließlich irgendwann an den Falschen geraten.«
»Die Nachbarn haben nie irgendjemanden gesehen.«
»Nachbarn bemerken auch nicht alles. Man gabelt in einer Bar jemanden auf und sagt ihm, er soll sich auf dem Rücksitz verstecken, wenn man spät nachts mit ihm nach Hause kommt. Wer soll da irgendwas merken? Oder sie hatte ihre Affären außerhalb. Das würde dazu passen, dass außer ihren keine weiteren Fingerabdrücke im Haus gefunden wurden.«
»Stargill hat sie genauso beschrieben wie alle anderen auch: nett, aber distanziert«, fuhr ich fort. »Aber er hat noch etwas erwähnt, das sonst nicht aufgetaucht ist: einen Hang zur Dominanz. Sie zieht in dieses Haus hier ein und übernimmt das Arbeitszimmer, während er mit einem Schreibtisch im Schlafzimmer vorlieb nehmen muss. Er teilt seine Vergangenheit mit ihr, aber sie weigert sich, umgekehrt das Gleiche zu tun. Als sie das Interesse an ihm verliert, beschließt sie, dass sie sich scheiden lassen. Und wie die finanziellen Angelegenheiten geregelt werden. Die Tatsache, dass Stargill keinen Druck auf sie ausgeübt hat, sagt eine ganze Menge über ihn aus.«
»Ein masochistischer Anwalt? Das ist ein Thema für einen Roman.«
»Manche Leute halten Arbeit und Vergnügen strikt voneinander getrennt. Betrachte doch mal die Details ihres Arrangements. Ciaire kassiert das Haus und bringt ihn noch dazu, die Steuern und die Kreditraten zu zahlen, und er ist sogar dankbar, dass sie nicht noch mehr genommen hat. Selbst bei ihrem ersten Treffen spielt so etwas mit wie Umkehrung der Machtverhältnisse: Sie ist nüchtern, er nicht. Sie hat sich und ihn unter Kontrolle. Er redet sich die Seele aus dem Leib mit Vorträgen über seinen versoffenen Vater und seinen Bruder, darüber, dass er selbst einen Hang zum Alkoholismus hat, aber versucht das Ganze unter Kontrolle zu halten. Der Kerl ist das genaue Gegenteil von ihr: Jedes Gespräch wird bei ihm zur Therapie. Manche Frauen laufen bei so was weg so schnell sie können, aber Ciaire geht mit ihm ins Bett und besorgt es ihm so wie noch niemand in seinem Leben. Und später, wann immer er ihr zu viele Fragen stellt, setzt sie ihren Sex ein. Sie war eindeutig hingezogen zu Leuten mit ernsthaften Problemen. Vielleicht hat sie im County deswegen gekündigt, weil sie eine höhere Dosis Pathologie gebraucht hat.«
»Also«,
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