Monster
»Wahrscheinlich vergeude ich nur Ihre Zeit.«
»Wenn Sie mir irgendetwas über Dr. Argent erzählen, dann nicht.«
Um ihre Augen herum bildeten sich kleine Fältchen, als ob sie blinzeln würde, doch sie verschwanden, als sie wieder das Wort ergriff. »Kann ich Sie zuerst was fragen?«
»Sicher.«
»Ciaire - Dr. Argent - ist irgendwas mit ihren Augen passiert?«
Als Milo nicht sofort antwortete, presste sie sich an den Baumstamm. »Also ja? O mein Gott.«
»Weshalb interessieren Sie sich für ihre Augen, Miss Ott. War damit etwas Besonderes?«
Sie schüttelte den Kopf. Mit einer Hand griff sie nach hinten und zerrte an ihrem Pferdeschwanz. Der Mann mit Hund verließ den Park. Ihr Blick folgte ihm für einen Moment, bevor sie wieder zu dem schaukelnden Kind hinschaute. Der Junge quengelte, als seine Mutter ihn von der Schaukel herunternahm und ihn unter einigen Mühen in den Kinderwagen steckte, um schließlich mit ihm von dannen zu rollen.
Jetzt waren nur noch wir drei übrig - gerade so, als wäre die Bühne frei gemacht worden.
Milo schaute Heidi an. Ich bemerkte, wie er bewusst seine Kiefermuskulatur entspannte und einen Fuß leicht nach vorne schob, um möglichst beiläufig zu wirken.
Sie sagte: »Also gut, es mag sich verrückt anhören, aber … vor drei Tagen hat ein Patient - einer der Patienten, mit denen Dr. Argent gearbeitet hat - etwas zu mir gesagt. Am Tag, bevor Dr. Argent umgebracht wurde. Es war nachts, ich hatte eine Doppelschicht und checkte die Betten, und ganz plötzlich fing er an mit mir zu reden. Was an sich schon sehr ungewöhnlich war, weil er sich sonst kaum verbal äußert. Er hat überhaupt nicht gesprochen, bis Dr. Argent und ich angefangen haben …«
Sie brach ab und zog den Pferdeschwanz nach vorne, sodass er auf ihrer Schulter liegen blieb. Sie fummelte an den Haarspitzen herum und rieb sie zwischen den Fingern. »Sie denken bestimmt, ich hab sie nicht mehr alle.«
»Absolut nicht«, sagte Milo. »Was Sie hier tun, ist haargenau das Richtige.«
»Also gut. Die Situation ist folgendermaßen: Ich wollte gerade aus seinem Zimmer rausgehen, als der Kerl anfängt zu murmeln, als ob er betet oder singt. Und ich werde hellhörig, weil er sonst kaum was sagt - er redet überhaupt nicht, um genau zu sein. Aber dann hört er auf, und ich will schon wieder rausgehen, als er ganz plötzlich ihren Namen sagt - >Dr. A.< Ich sage: >Wie bitte?< Und er wiederholt es. Diesmal ein bisschen lauter. >Dr. A.< Ich sage: > Was ist mit Dr. A?< Und er lächelt mich so seltsam an - bis dahin hat er noch nie gelächelt -, und er sagt: >Dr. A. - Augen futsch, Kiste zu.< Ich sage: >Was?< Aber er starrt nur auf seine Knie wie üblich und sagt kein Wort mehr, und ich kann ihn nicht dazu bringen, es noch mal zu sagen. Also mache ich mich wieder auf den Weg nach draußen, und als ich an der Tür bin, gibt er so Geräusche von sich, die ich schon ein paar Mal von ihm gehört habe - so was wie ein Bellen - rrah, rrah, rrah. Ich wusste nie, was das zu bedeuten hatte, aber in diesem Augenblick hatte ich den Eindruck, als wäre das seine Art zu lachen - als würde er mich auslachen. Dann hört er ganz plötzlich auf, taucht wieder ab in seine Welt, und ich mache, dass ich rauskomme.«
Milo sagte: »>Dr. A. - Augen futsch, Kiste zu.< Haben Sie irgendjemandem davon erzählt?«
»Nein, nur Ihnen. Ich hatte eigentlich vor, mit Ciaire darüber zu reden, aber ich bin nicht dazu gekommen, weil am nächsten Tag …» Sie biss sich auf die Lippen. »Der Grund, warum ich es in Starkweather niemandem gegenüber erwähnt habe, war, weil ich dachte, dass es einfach nur wirres Gerede war. Wenn wir jedes Mal darauf achten würden, wenn einer irgendwelches wirres Zeug daherquasselt, würden wir überhaupt nicht mehr zur Arbeit kommen. Aber als Ciaire am nächsten Tag nicht zur Arbeit kam und ich dann die Nachrichten gehört habe, da bin ich fast ausgerastet. Ich habe allerdings immer noch niemandem davon erzählt, weil ich nicht wusste, an wen ich mich wenden sollte - und außerdem, welchen Zusammenhang sollte es denn da geben? Als ich in der Zeitung davon gelesen habe, und es in dem Artikel hieß, sie hätte in ihrem Kofferraum gelegen, da fiel mir ein, dass >Deckel zu< ja auch was mit einem Kofferraum zu tun haben könnte. In der Zeitung stand allerdings nichts über ihre Augen, deswegen dachte ich, dass >Augen futsch< vielleicht damit zu tun hatte, dass sie eine Brille getragen hat, dass es also vielleicht doch nur
Weitere Kostenlose Bücher