Monster

ein Dutzend Erben, aber keinerlei Streitigkeiten. Niemand von denen ist auf die Erbschaft scharf gewesen, sie waren alle ganz erschüttert über die Umstände, wie sie dazu gekommen waren.«
    »Erinnern Sie sich noch an den Namen des Anwalts?«
    »Nein. Was zum Teufel spielt denn das für eine Rolle?«
    »Ich bin sicher, das tut er auch nicht«, sagte ich. »Und Scotts Mutter war auch schon verstorben?«
    »Schon Jahre zuvor. Das Herz. Warum?«
    »Ich bin nur gründlich.«
    »Das sind Sie allerdings.« Er machte Anstalten, die Tür zuzumachen.
    Ich sagte: »Mr. Haas, gibt es hier in der Gegend vielleicht sonst noch jemanden, der sich mit mir unterhalten würde?«
    »Was?«, fuhr er mich wütend an. »Das hier hat Ihnen noch nicht gereicht?«
    »Wenn ich schon mal hier oben bin, kann ich ja auch gleich alles abgrasen - Sie waren doch selbst Polizist, da wissen Sie doch, wie das ist.«
    »Nein. Weiß ich nicht. Und ich hab auch keine Lust, es rauszufinden. Vergessen Sie’s. Hier oben wohnt niemand mehr aus den alten Tagen. Fairway ist eine Siedlung für ältere Leute aus der Großstadt, die’s schön ruhig und friedlich haben wollen. Ich bin das letzte Überbleibsel aus Treadway. Weswegen sie mich auch hier in die Trailersiedlung gesteckt haben.« Er lachte freudlos auf.
    Ich sagte: »Haben Sie irgendeine Ahnung, wo Derrick Crimmins -«
    »Die Crimmins sind weg von hier. Genau wie alle anderen auch. Nachdem Carson Crimmins und seine Frau das Geld für ihr Land kassiert hatten, sind sie nach Florida gezogen. Soweit ich mal gehört habe, haben sie sich ein Segelboot gekauft und sind in der Gegend rumgeschippert, aber das ist auch schon alles, was ich weiß. Wenn sie noch am Leben sind, sind sie steinalt. Zumindest er.«
    »Seine Frau war jünger?«
    »Sie war seine zweite Frau.«
    »Wie hieß sie?«
    »Weiß ich nicht mehr«, sagte er, doch seine Antwort kam eine Idee zu schnell. Seine Stimme klang hart und bitter, und die Tür hatte er mittlerweile bis auf einen zehn Zentimeter breiten Spalt zugeschoben. Der Gesichtsausdruck dahinter war alles andere als freundlich. »Cliff Crimmins ist auch nicht mehr. Motorradunfall in Vegas - stand sogar in den Zeitungen. Motocross, das hat er gemacht. Außerdem Karambolagefahren, Fallschirmspringen und Surfen - Hauptsache schnell und gefährlich. Sie waren alle beide so. Verzogene Kinder, die immer im Mittelpunkt stehen mussten. Und wann immer sie ein neues Spielzeug wollten, hat Carson es ihnen gekauft.« Die Tür wurde geschlossen.
     
    Ich hatte den Stresslevel von jemand anderem in die Höhe getrieben. Eine wahre Glanzleistung auf dem Gebiet der Psychologie.
    Und nichts dabei erreicht, das die Mittel gerechtfertigt hätte.
    Hatte er mit besonderer Vehemenz reagiert, als die zweite Mrs. Crimmins zur Sprache kam, oder hatte ich seine Emotionen schon vorher so hochgeschaukelt, dass es egal war, was ich sagte?
    Auf dem Weg zu meinem Auto kam ich zu dem Ergebnis, dass Ersteres wohl zutraf: Wie wahrscheinlich mochte es wohl sein, dass er den Namen einer der reichsten Frauen in der ganzen Gegend vergessen hatte? Irgendwas an der guten Mrs. Crimmins schien ihn also zu stören … und wenn schon. Vielleicht hasste er sie sogar. Oder das Gegenteil, er liebte sie. Oder sie war seine unerfüllte Leidenschaft.
    Kein Anlass anzunehmen, dass es mit irgendwas zu tun hatte, wonach ich suchte.
    Wobei ich nicht einmal selbst wusste, wonach ich suchte.
    Auf dem Holzweg.
    Es war noch vor Mittag, und ich kam mir ziemlich nutzlos vor. Haas hatte erklärt, dass keiner von den früheren Bewohnern von Treadway mehr hier lebte, und vielleicht hatte er ja auch die Wahrheit gesagt. Aber irgendetwas nagte an mir - es hatte mit seinem Verhalten zu tun -, warum hatte er eingewilligt, sich mit mir zu unterhalten, und hatte dann, nachdem er mir anfangs so liebenswürdig begegnet war, völlig umgeschwenkt?
    Wahrscheinlich lag es an den furchtbaren Bildern, die wieder vor ihm aufgetaucht waren.
    Ich ging zu meinem Seville zurück, als ein weiterer taubenblauer Kombi eine Runde durch den Trailer-Park machte. Am Steuer war ein anderer Wachmann, aber auch er jung und mit Schnurrbart. Vielleicht die offizielle Aufmachung von Bunker Security.
    Er kam langsam angekrochen und blieb ebenso wie der erste Wachmann parallel zu meinem Wagen stehen.
    Ein starrer Blick, in dem keinerlei Erstaunen lag. Offensichtlich war er über mich bereits informiert.
    Ich sagte: »Schönen Tag noch.«
    »Gleichfalls, Sir.«
    Auf dem Weg