Monströs (German Edition)
Möglichkeit, ihr die Morde nachzuweisen. Sie hatte zwar Eddie erschossen, doch das konnte sie als Notwehr hinstellen. Und sie konnte angeben, sie habe Martin Waller schon erdrosselt vorgefunden.
Selma stand plötzlich auf und beugte sich hinunter zu Eddie. Aus der kleinen aufgesetzten Tasche über seiner eigentlichen Hosentasche zog sie einen pillengroßen Gegenstand hervor und steckte ihn ein.
»Ich habe ihm den Sender draußen, als er bewusstlos war, verpasst. Mit dem Gerät hier«, sie zog ein handgroßes, rechteckiges Teil mit einem übersichtlichen Display aus ihrer Jackentasche hervor, »wusste ich die ganze Zeit über, wo genau Eddie sich im Hotel aufhielt. Mit dem Ding habe ich euch beide auch hier in der Seilbahnstation geortet. Sei froh, sonst wärst du jetzt schon tot.«
Ihre Stimme war voll Sarkasmus. Was hätte Martin ihr antworten sollen, oh wie schön, dass ich nicht, ohne die Wahrheit zu kennen, sterben muss.
Martin musste daran denken, was Eddie gesagt hatte. Neben seiner ermordeten Frau habe Anna Wallers Todesanzeige gelegen. Jetzt ging Martin auf, dass Selma damit tatsächlich nur einen Köder für Eddie ausgelegt hatte.
»Hast du Eddies Frau erschossen?«
Selma nickte.
»Es war bedauerlich, aber nicht zu vermeiden. Das Schwein sollte leiden, wie ich gelitten habe. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Er hat mir meinen liebsten Menschen genommen und ich ihm seinen.«
Martin erkannte jetzt, dass Selma einem einfachen Muster gefolgt war. Sie hatte ihren Mann verloren, deshalb mussten Eddie und er ihre Frauen verlieren. Selma war so unerträglich selbstsicher. Das machte Martin wütend. Sie ging felsenfest davon aus, dass sie damit durchkommen würde und das Schlimmste war, er konnte nichts daran ändern. Er war ihr ausgeliefert, wie er es zuvor Eddie gegenüber gewesen war. Er dachte wieder an Paul. Er musste sich irgendwie befreien. Sein Blick schweifte in wilder Panik umher. Er rüttelte noch einmal an seinen Fesseln. Selma behielt ihn dabei im Auge. Schließlich gab er es auf. Es war aussichtslos. Die Stricke saßen fest wie Beton und sie hatte eine Pistole. Er sah ihr wieder in die Augen. Aber er konnte reden. Er war Strafverteidiger gewesen. Jetzt waren Worte vielleicht seine letzte Hoffnung. Konnte er Selma zu einem Freispruch überreden? Er stellte sich den Gerichtssaal vor, wie er mit schwarzer Robe das wichtigste Plädoyer seiner Karriere hielt, denn der Angeklagte war er selbst und ihm drohte keine Freiheitsstrafe, nein, ihm drohte der Tod. Er hatte kein Konzept, keine Zeit sich in die Akten einzuarbeiten, also musste er reden und Fragen stellen und dabei hoffen auf etwas zu stoßen, dass ein Loch in die unerschütterlichen Wände der Festung der Anklage reißen würde. Das Problem dabei war nur, dass er nicht viel Zeit hatte. In diesem Prozess konnte er nicht reden, solange er wollte. Erstens, weil er dafür zu schwach und ihm das Reden vor Schmerzen irgendwann nicht mehr möglich sein würde und zweitens, weil die Anklage ebenfalls unter Zeitdruck stand. Bald würde die Bahn den Berg hinauf kommen und viele Menschen mit bringen. Bis dahin musste Selma ihn töten, wenn ihr Plan aufgehen sollte.
»Eddie sagte, es müsse einen Komplizen geben. Jemand, der seinen Bruder Udo in dessen Wohnung überwältigt hatte und der ihn erschossen hätte, wenn er es nicht getan hätte. Du kannst es nicht gewesen sein, wenn du in Eddies Wohnung, bei dessen Frau warst.«
Wieder musste Selma lachen. Martin war es egal, er musste Zeit gewinnen und dabei den richtigen Zugang zu ihr finden. Allerdings machte er sich dabei nichts vor. Seine Chancen standen schlecht. Sie hatte ihren Tag der Rache jahrelang geplant, und wenn sie ihn überleben ließ, bedeutete das gleichzeitig, dass sie für ihre Taten vor einem Gericht zur Rechenschaft gezogen wurde. Er bezweifelte, dass sie das wollte.
»Du glaubst nicht, was man für 30.000 Euro in der Ukraine alles kaufen kann. Zum Beispiel einen Schlägertrupp, denen scheißegal ist, wen sie windelweich schlagen oder töten, ganz egal ob derjenige, ein Unterweltboss ist oder nicht. Die machen ihre Arbeit und dann fahren sie zurück in irgendein Kaff, das noch nicht einmal in einer Landkarte verzeichnet ist. Einer von denen stand an der Straßenecke und hat mich informiert, als Eddie das Mietshaus, in dem sein Bruder wohnte, betrat. Einen Schützen, der Udo erledigt hätte, wenn Eddie sich geweigert hätte abzudrücken, gab es nicht. Hier habe ich geblufft. Aber ich wusste,
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