Monströs (German Edition)
jedes Netzwerk der Welt eindringen und alle gespeicherten elektronischen Daten beschaffen konnten, die man haben wollte. Die Leute, die wiederum Corleone bezahlten, hatten gern zum Frühstück die Ergebnisse auf dem Tisch.
Ram schaute sich kurz an, was auf dem Programm stand und überlegte, womit er anfangen sollte. Ausspähen von Bankdaten und Auslesen von Daten aus einem Computerprogramm zum Ausspionieren von Angestellten. Auf eigene Rechnung hatte er noch eine Handyüberwachung übernommen. Er kopierte die ein- und ausgehenden SMS für einen eifersüchtigen Ehemann. Alles illegal, aber es machte tierischen Spaß und tat keinem wirklich weh.
Am meisten gefiel Ram an seiner Arbeit, dass er dabei allein war, keine nervigen Kollegen, die ihn unnötige Sachen fragten, oder einem ihren Bericht aufzwangen, wie sie das Wochenende verbracht hatten. Keine Kunden, die herumnörgelten. Es war wunderbar. Hier unten im Keller seiner Eltern hatte er sein eigenes Reich und war sein eigener Herr. Er hatte zwar keine Sozialversicherung, dafür zahlte er aber auch keinen Cent Steuern.
Mit welchem der offenen Jobs sollte er anfangen. Er entschied sich für das Ausspähen von Bankdaten. Gerade wollte er loslegen. Er hatte schon die dazu notwendige, von ihm selbst programmierte Software geladen, als er innehielt. Das hier würde ihn ein paar Stunden kosten. Was war mit Waller? Die Frage, was in diesem Hotel vor sich ging, ließ ihn nicht los. Es war wie ein Rätsel, das nach einer Lösung schrie. Um seine Gedanken ein wenig aufzulockern, begann er, im Internet herumzusurfen. Das brachte ihm am sichersten die Zerstreuung, die er jetzt dringend brauchen konnte. Nach ein paar Klicks landete er auf der Nachrichtenseite der Frankfurter Rundschau.
Die Schlagzeile lautete:
Ehemaliger Bluthund der Unterwelt erschießt seine Frau und seinen Bruder!
Der Mann hieß Eddie Kaltenbach und war auf der Flucht vor der Polizei. Aber die eigentliche Sensation war, dass Eddie Kaltenbach die Hinrichtung seines Bruders live ins Internet übertragen hatte.
Ram war fasziniert. Die Internetseite www.youtube.com bot erst seit ein paar Wochen die Möglichkeit eines Livestreams an. Früher konnten Videos nur mit zeitlicher Verzögerung eingestellt werden. Ram begann im Internet nach dem Video zu suchen, musste aber feststellen, dass die Behörden saubere Arbeit geleistet hatten. Im Moment kursierten keine Kopien des Videos mehr im Netz. Die entsprechenden Seiten wie youvideo und be-a-movie-star und einige andere, die das Video in den ersten Stunden nach der Tat kopiert und eingestellt hatten, hatten es wieder aus dem Programm nehmen müssen. Klar es war gewaltverherrlichend und moralisch nicht vertretbar. Aber es war genau das, was die Leute sehen wollten. Wie sonst war es zu erklären, dass das Gaffen und Videofilmen bei schweren Autounfällen zum Volkssport geworden war. Es beeindruckte Ram immer wieder, wie die menschlichen Abgründe die Aufmerksamkeit der Massen anzogen. Er selbst schloss sich dabei nicht aus.
Bei der Suche nach dem Kaltenbach Mordvideo hatte er zahlreiche andere Einträge auf den Namen Eddie Kaltenbach gefunden. An einem längeren Zeitungsbericht, der fast sieben Jahre alt war, blieb er hängen. Eddie Kaltenbach war wegen Mordes an einem verdeckten Ermittler der Polizei angeklagt. Der Polizist, sein Name war Knut Winkler, hatte den Auftrag Beweise sicherzustellen, dass eine Rita M., Kopf eines Verbrechersyndikats war. Man verdächtigte sie des Menschen-, Drogen- und Waffenhandels. Eddies Bruder Udo hielt man ebenfalls für eine große Nummer im organisierten Verbrechen. Ihm wurden Zuhälterei und Menschenhandel vorgeworfen. Nur Beweise hatte es dafür ebenfalls keine gegeben. Man ging aber davon aus, dass Udo Kaltenbach an der Leine von Rita M. hing. In dem aufsehenerregenden Prozess gegen Eddie Kaltenbach hatte der Kronzeuge seine ursprüngliche Aussage bei der Polizei revidiert und vor Gericht unter Eid darauf geschworen, dass Eddie Kaltenbach nicht der Täter gewesen war. Ursprünglich hatte der Zeuge, selbst ein angesehener Strafverteidiger, den Mord angezeigt. Aufgrund des auf seinen Aussagen beruhenden Phantombilds konnte Eddie Kaltenbach festgenommen werden. Bei der anschließenden Gegenüberstellung bei der Polizei habe der Zeuge Kaltenbach eindeutig als Todesschützen identifiziert. Vor Gericht wollte er sich geirrt haben.
Im Archiv der Frankfurter Allgemeinen fand er das Foto eines Polizeireporters, dass dieser nach dem
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