Monströs (German Edition)
Freispruch geschossen hatte. Es zeigte Eddie Kaltenbach, der in Begleitung seines Anwaltes umringt von unzähligen Journalisten und im Blitzlichtgewitter der Kameras die Stufen des Gerichtsgebäudes hinunter ging. Im Hintergrund ging eine Menschenschar die Treppen hinunter.
Ram surfte weiter. Nach ein paar weiteren Berichten wurde ihm die Sache aber langweilig. Das Video würde schon wieder auftauchen, aber heute nicht mehr. Er lehnte sich zurück in seinen verschlissenen Chefsessel und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Noch einmal atmete er durch, dann machte er sich an die Arbeit. Er bearbeitete die Tastatur noch keine fünf Minuten, als sein Blick auf den zweiten Monitor rechts von ihm viel. Hier lief ein Internet Newsticker, der ständig die neuesten Nachrichten in kurzen Worten über den Bildschirm flimmern ließ. Die Worte, welche jetzt dort auf dem Bildschirmlaufband vorbeizogen, lösten ein seltsames Gefühl in ihm aus.
Wagen des noch immer flüchtigen Doppelmörders Eddie K. in Basel sichergestellt.
Auf der Stelle war sein Gehirn dabei, verschiedene Informationen zu verknüpfen. Basel lag in der Schweiz und Waller war auch in Schweiz. Mein Gott, immer wieder kehrten seine Gedanken zu Waller zurück. Dann geschah etwas Seltsames. Es war mehr ein Gefühl, als eine bewusste Wahrnehmung. Er raufte sich die Haare. Nach ein paar Klicks hatte er wieder das Foto von Eddie Kaltenbach auf den Gerichtsstufen vor sich. Diesmal galt seine Aufmerksamkeit aber nicht Kaltenbach und den Journalisten, sondern den Menschen, die dahinter die Treppe hinunter kamen. Er vergrößerte das Foto und dann war er sicher. Ram hob die Augenbrauen und stieß einen leisen Pfiff aus. Es war sein Nachbar Martin Waller. Was hatte Waller mit dem Prozess gegen Kaltenbach zu tun? Kaltenbach hatte sich in die Schweiz abgesetzt, was riskant war, wenn man die Schweizer Grenzkontrollen kannte. Warum war er nicht nach Frankreich getürmt oder hatte vor Bekanntwerden seiner Identität einen Flug nach Brasilien genommen? Außerdem war es völlig unprofessionell, den eigenen Wagen für die Flucht zu benutzen, und ihn dann auch noch stehen zu lassen, und so einen Hinweis auf den Aufenthaltsort zu geben.
Ram suchte jetzt das Internet nach weiteren Hinweisen zu dem damaligen Prozess ab. Einer der Artikel bestätigte seine Vorahnung. Dieser Bericht ging mehr auf den Kronzeugen ein, der vor Gericht geschworen hatte, dass Kaltenbach nicht der Täter war. Der Zeuge wurde als Martin W. benannt.
Waller war also der Zeuge im Prozess gegen Kaltenbach gewesen und hatte für dessen Freispruch gesorgt. Waller hatte nie gerne über die Vergangenheit gesprochen, jetzt wusste Ram, dass Waller in seinem früheren Leben, Strafverteidiger gewesen war. Aus diesem Grund hatte seine Aussage vor Gericht eine besonders gewichtige Bedeutung gehabt. Waller war wie Kaltenbach ebenfalls in der Schweiz. Die Verbindung zwischen den beiden Personen war der Mordprozess von vor sieben Jahren. Und Waller erhielt mysteriöse E-Mails von seiner verstorbenen Frau. Am gleichen Tag tötete Eddie Kaltenbach seine eigene Frau und seinen Bruder. Es gab einen Zusammenhang, aber welchen? Dann fiel ihm etwas ein. Es war denkbar, dass Kaltenbach sich im gleichen Hotel wie Waller aufhielt. Damit kam Kaltenbach auch als Schreiber der E-Mails an Waller in Frage.
Ram griff zum Telefon und wählte Martins Nummer im Hotel Himmelwärts. Es klingelte unzählige Male, doch es hob niemand ab. Was war da los? Es war mitten in der Nacht. Wo sollte Waller sonst sein, als in seinem Zimmer? Aber warum hob er dann nicht ab? Ram versuchte es mit der Zentrale. Nichts, noch nicht einmal der Anrufbeantworter meldete sich. Da war etwas faul, oberfaul, dachte Ram. Er legte auf und starrte die Wand an. Er dachte nicht darüber nach, die Polizei zu informieren. Das war keine Option. Er hasste die Bullen, seit sie ihn mit vierzehn wegen Teilnahme an einer Demonstration verhaftet hatten. Er hatte sich an Eisenbahnschienen festgekettet, um einen Atommülltransport ins Endlager Gorleben aufzuhalten. Aus heutiger Sicht infantil. Ram hatte längst begriffen, dass Demonstrationen nichts bewirkten, nur Taten. Für seinen Widerstand war das Internet wie geschaffen. Er war in der Lage, sich in die meisten Firmennetzwerke zu hacken und wenn diese es mit dem Umweltschutz nicht so genau nahmen, hatte er ihnen schnell einen Virus untergejubelt. Es gab Viren, die geheime Daten, Rezepturen und Betriebsgeheimnisse ausspähten
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