Monströs (German Edition)
dabei abwechselnd zwischen Söder, Zurbriggens in der Luft schwebendem Körper und den Fotos hin und her. Er wusste nicht, worüber er mehr entsetzt sein sollte. Über die Fotos, Zurbriggens bestialische Hinrichtung oder die Tatsache, dass Söder von Zurbriggens abartigen Neigungen gewusst haben könnte.
»Das ist einfach nicht möglich«, war alles, was Bumann wieder hervorbrachte.
Ganz langsam hob sich Söders Hand, in der er die Pistole hielt, bis sie in Bauchhöhe auf Selma zielte.
»Du hast es nicht nur gewusst, du hast auch die Fotos gemacht«, sagte Selma.
Söder lächelte dünn. Es kam einem Schuldeingeständnis gleich.
»Mein Gott!«, entfuhr es Bumann. In seinen Augen standen Angst und pures Entsetzen. Er hatte jahrelang in diesem Hotel gearbeitet und von all dem nichts geahnt. Ernst Söder war nichts weiter als ein Hausmeister gewesen, der mit der neuen Hotelchefin gekommen war und der mit dieser eine freundschaftliche Beziehung pflegte. Zurbriggen war als Direktor ein Diktator gewesen. Er war beim Personal unbeliebt und wegen seiner cholerischen Art fast gefürchtet gewesen. Aber Ernst Söder hatte Bumann als einen netten Menschen eingestuft. Um so mehr war Bumann jetzt überrascht, wie die Fassade eines Menschen doch täuschen konnte.
»Warum hast du Zurbriggen das machen lassen, warum hast du ihn nicht gestoppt, die Polizei gerufen oder ihn entlassen?«, sagte Selma in vorwurfsvollem Ton. Sie und Söder hatten sich immer besonders gut verstanden. Deshalb waren sie auch schon nach kurzer Zeit beim Du gelandet.
Söder blickte zu Boden und atmete mit einem deutlich hörbaren Geräusch aus. Dann sah er unvermittelt auf und blickte Selma mit eiskaltem Blick in die Augen.
»Walter Zurbriggen war ein geisteskrankes Schwein. Er hat seinen eigenen Vater ermordet und hier in diesem Raum unzählige Menschen, meist Frauen, zu Tode gequält.«
»Und Zurbriggens Großeltern, die ersten Pächter des Hotels ...«, sagte Selma ungläubig.
Söder nickte.
»Walter Zurbriggens Vater hat sie umgebracht. Deshalb war das Todesjahr auf dem Kreuz draußen im Flur gleich. Der Trieb zu quälen und zu töten, hat sich in dieser Familie genetisch von Generation zu Generation vererbt. Was Zurbriggen hier unten trieb, hat uns nicht gefallen, aber wir konnten nichts unternehmen. Zurbriggen hat uns erpresst.«
»Uns?«, fragte Selma.
Für einen Moment wirkte Söder überrascht, als sei er davon ausgegangen, dass Selma wissen müsse, wer gemeint war. Dann sah sein Gesicht wieder emotionslos und wie versteinert aus.
»Zurbriggen hat Marianne und mich mit unserer gemeinsamen Vergangenheit erpresst.«
»Aber du hattest auch deinen Spaß an dem, was Zurbriggen tat, sonst hättest du ihm nicht als Fotograf assistiert«, sagte Selma.
Bumann warf Selma einen verängstigten Blick zu. Er hätte es nicht gewagt, einen Mann, der ihnen die Pistole vorhielt, so anzugreifen. Söder blieb kalt.
»Spaß ist das falsche Wort. Es hat mich interessiert. Zurbriggen war für mich eine Art Forschungsprojekt. Ich war in einem früheren Leben einmal praktizierender Arzt und die menschlichen Abgründe haben mich schon immer besonders gefesselt.«
Söder schmunzelte jetzt. Ganz so, als ob er noch etwas Wichtiges für sich behalten hätte.
»Was hatte Zurbriggen gegen euch in der Hand?«
Söder sah Selma mit einem Blick an, der deutlich machte, dass er überlegte, ob er auf diese Frage eine Antwort geben sollte. Schließlich tat er es doch.
»Zurbriggen hatte Beweise, die Marianne und mich bis an unser Lebensende ins Gefängnis gebracht hätten. Zurbriggen wusste von Mariannes und meiner Vergangenheit, lange bevor ich ihm bei seinem Hobby, wie er es nannte, auf die Schliche gekommen bin. Sobald ihm etwas zugestoßen wäre, wären die Beweise bei der Staatsanwaltschaft gelandet. Er hat damals nur gelacht, als wir ihn zur Rede gestellt haben und uns das Beweismaterial vor die Füße geknallt. Das hat er jetzt davon.«
Söder lachte spöttisch und betrachtete sich den fetten, fast nackten Körper Zurbriggens, der an Ketten gespannt im Raum hing.
Sekunden der Anspannung vergingen. Niemand sagte mehr etwas. Doch eine Frage war offengeblieben, bis Selma sie schließlich stellte.
»Was waren das für Beweise?«
Söder blickte ihr starr in die Augen. Dann atmete er aus. Er vermittelte den Eindruck, dass er bis jetzt überlegt hatte, wie es weitergehen sollte, insbesondere, was er mit Selma und Bumann machen sollte. Jetzt hatte er sich
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