Monströs (German Edition)
die, von den Tränen verquollenen Augen.
»Dein Papa ist in einem Hotel. Es ist weit weg. Aber wenn du willst, bringen wir dich jetzt zu ihm.«
Paul hörte augenblicklich auf, zu zittern. Er zog die Nase hoch und nickte stumm.
»Gut dann holen wir uns jetzt ein wenig Proviant aus dem Kühlschrank, ziehen uns an und dann geht’s los.«
Karl richtete sich wieder auf und wandte sich Ram zu.
»Wenn ich ehrlich bin, hatte ich gehofft, dass Sie mitkommen würden. Ich weiß, dass Sie ein Nachtmensch sind, und traue mir die Fahrt allein nicht zu.«
Ram wusste nicht, wie Karl zu der Annahme kam, dass er so mir nichts dir nichts zu einer Autofahrt von sechs Stunden bereit war, aber es hatte funktioniert. Allerdings nur, weil Ram ohnehin vorgehabt hatte, Waller in diesem Hotel einen Besuch abzustatten. Egal, Karl war zufrieden und Ram auch, denn die Fahrt mit dem Auto, war natürlich viel bequemer als seine Kawasaki.
»Wozu hat man denn ...« verdammt, das Wort auszusprechen fiel ihm verdammt schwer »Freunde. Außerdem können Sie du zu mir sagen, ich bin Ram.«
Karl reichte ihm die Hand und Ram schlug ein. »Abgemacht und mir ist das Du auch lieber, ich bin Karl.«
Ram ließ Karl in dem Glauben, dass es hier nur um Pauls Wohlbefinden ging. In Wirklichkeit machte er sich viel größere Sorgen um Waller. Freund hatte er ihn genannt. So ein Scheiß, dachte Ram. Das Wort gehörte eigentlich nicht zu seinem Sprachgebrauch. Irgendwie war es ihm peinlich gewesen, das Wort auszusprechen. Es klang so schwach. Weicheier sprachen andauernd von Freundschaft. Er war kein Weichei. Er drängte die in seinem Kopf aus dem Nichts aufflammende Frage zurück, ob in diesem Wort, in Wallers Fall nicht doch ein Fünkchen Wahrheit steckte.
Während Karl sich und Paul anzog, ging Ram noch einmal in seinen Keller, um sein Notebook zu holen. Als er zurückkam, wartete er auf dem Gehweg. Fünf Minuten später fuhr Karl bereits den Wagen aus der Garage. Paul saß hinten auf dem Kindersitz und schaute aus dem Fenster. Er war jetzt völlig ruhig. Ram setzte sich nach hinten neben Paul. Nicht vorrangig, um den Jungen zu beruhigen, falls er einen weiteren Anfall erlitt, das hätte er sich ohnehin nicht zugetraut. Er wollte, während Karl den Wagen steuerte, ein paar weitere Recherchen anstellen. Sein Notebook verfügte über einen Wlan-Stick, mit dem er unterwegs ins Internet gehen konnte. Nach einer halben Stunde Fahrt klappte er das Display auf und klickte den Internetbrowser an.
Paul saß noch immer regungslos neben ihm und starrte durch das Seitenfenster in die Dunkelheit. Auch Karl hatte seit der Abreise nicht viel gesprochen. Er war den Anweisungen des Navigationsgerätes gefolgt, das an einem Saugnapf innen an der Windschutzscheibe befestigt war, und lauschte jetzt, da sie ein gutes Stück monotoner Autobahn vor sich hatten, dem Hörspiel, dass er für Paul in den CD-Player gelegt hatte.
Die Wegstrecke von Karl Wallers Haus nach Zermatt sah Ram sich nur beiläufig auf google maps an. Die Autoroute endete in Täsch, das bedeutete, dass das Hotel nicht mit dem Wagen zu erreichen war. Die Homepage des Hotels gab Aufschluss über dessen Lage und wie man von Zermatt aus dorthin kam. Mit Verwunderung stellte Ram fest, dass sich das Hotel an einem jener wenigen Orte befand, die nicht rund um die Uhr auf dem Verkehrsweg zu erreichen waren. Tagsüber fuhr eine Zahnradbahn auf den Berg. Die erste Bahn fuhr aber erst ab acht Uhr morgens und sie kämen wahrscheinlich gegen Sieben in Zermatt an. Sie konnten dann eine Stunde warten oder sie ließen sich etwas anderes einfallen. Ram beschloss, sich darüber erst Gedanken zu machen, wenn sie vor Ort wären. Außerdem tobte dem aktuellen Wetterbericht zufolge ein ausgewachsener Sturm in dem Gebiet. Ram hielt es für schlauer, auch diese Informationen Karl und Paul gegenüber unerwähnt zu lassen. Im Moment jedenfalls war das Hotel komplett von der Außenwelt abgeschnitten.
Plötzlich kam ihm ein Gedanke in den Kopf. Wenn Eddie Kaltenbach tatsächlich Waller in dieses Hotel gefolgt war, woher hatte er dann gewusst, dass Martin sich dort aufhielt? Ram steckte den Kopf zwischen den Vordersitzen hindurch nach vorne.
»Eine Frage, Karl. Hat sich heute irgendjemand nach Martin bei dir erkundigt?«
Karl wandte den Kopf ein wenig zur Seite, jedoch ohne den Blick von der Straße zu lassen.
»Ja, ein alter Freund von Martin hat angerufen. Er wollte ihn besuchen. Ich hab ihm gesagt, wo Martin ist, und dass er es
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