Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
wenn sie ihn nicht auf der Brücke gefunden hätten, hätten sie eben an der Unterseite nachgeschaut.
    Was nun. Er atmete tief durch und klammerte sich weiterhin an den Sporn. Das Ende der Schärpe hatte er noch immer in der Hand. Ein paar Armlängen unter ihm grunzte und brabbelte jemand auf dem Turm vor sich hin. »Dort oben!« ertönte da Highbones Stimme, wobei er vor Wonne fast überschnappte. »Er ist dort oben.« Andere Stimmen meldeten sich, nicht viel weiter entfernt.
    Rillibee wartete ab. Wenn sie versuchten, den Sporn zu erklimmen, würde er springen. Ein Sturz aus dieser Höhe war mit Sicherheit tödlich. Er hoffte, daß er sich über dem Erdboden befand und nicht über einem Reetdach, das den Aufprall dämpfen würde. Er atmete flach und verhielt sich mucksmäuschenstill.
    Jemand bestieg die Plattform, ein zweiter folgte. Aufgrund einer plötzlichen Eingebung zog er an der Schärpe und spürte, wie der Impuls zur Hängebrücke übertragen wurde.
    »Er ist auf der Brücke«, rief Highbones mit schriller Stimme. »Ich spüre ihn. Auf der Brücke.«
    Vom Turm, zu dem die Brücke führte, drang ein Belfern durch den Nebel.
    Der Schärpenzipfel in Rillibees Hand übertrug die Schwingungen der Brücke, auf die die Kletterer nun traten. Er ließ die Schärpe los und kletterte wieder auf den Turm hinunter. Die Geräusche der in Gegenrichtung kletternden Leute drangen an sein Ohr, während er sich im Schutz des Nebels vorsichtig an den Abstieg begab. Er wich den kletternden Schatten und rufenden Gespenstern aus, wobei er ab und zu auf den nassen Sprossen ausrutschte. Er bewegte sich unsichtbar durch den Nebel, von der Wolke eingehüllt, eins mit dem Himmel. Über ihm ertönte ein vielstimmiges Geschrei, wobei irreführende Hinweise wie ›Hier ist er!‹ mit Fragen wie ›Wo ist er?‹ zu Chaos und Konfusion führten.
    Die Basis des Turms war unbewacht. Das Dach war verlassen. Der Nebel hatte fast schon den Dachfirst erreicht, und unter der offenen Luke war die Treppe zu sehen. Von weit oben ertönten Rufe wie ›Hier, hier!‹, und noch die unterste Leiter übertrug die Vibrationen, die durch die hin und her laufenden Leute verursacht wurden. Er ging die Treppe hinunter, durchquerte die leere Halle und schlug dann den Weg zum Wohnheim ein, das erst halb fertig und fast noch unbewohnt war. In dem Moment, als er das Haus betrat, hörte er einen Schrei, als ob jemand aus großer Höhe abgestürzt wäre.
    In seiner Zelle angekommen, kroch er unter die Decke und preßte sich atemlos an die Wand. Zweimal in dieser Nacht öffnete jemand die Tür und leuchtete den Raum aus.
    Noch vor Morgengrauen stand er auf und kletterte wieder auf den Turm. Er arbeitete sich durch den Dunst bis zur Brücke vor, in der die Kutte sich verfangen hatte; die Schärpe hing noch immer herunter. Ein Ärmel der Kutte lugte aus der Rolle hervor und hatte sich um das Fußtau der Brücke gewickelt, gerade so viel, daß das Bündel nicht herunterfiel. Rillibee barg die Kutte und zog sie wieder an; dann setzte er sich auf einen Querträger und betrachtete für eine lange Zeit die Abtei und die umliegende Prärie.
    »Laß mich sterben«, sagte der Papagei in seinem Kopf.
    »Das wollte ich auch«, erwiderte er. »Heute morgen.«
    Aber nun schob er es noch etwas auf. Er hatte an diesem Morgen wirklich sterben wollen, aber nun genoß er erst einmal den Ausblick. Das Gras wogte wie ein endloses Meer und erstreckte sich nach allen Seiten bis zum Horizont. Er erkannte Bewegung im Gras. Große Tiere mit Widerhaken an den Hälsen paradierten auf dem Kamm: Hippae. Wurmartige weiße Kriechtiere wanden sich um die Wurzeln: Peeper. Weit im Süden bewegte sich eine Front großer Grazer gemächlich nach Westen. Er ließ alles auf sich wirken, die Vogelschwärme über dem Grasland, die Wellen, die hier und da von unsichtbaren, geheimnisvollen Kreaturen geschlagen wurden. Er wünschte sich, es gäbe Bäume. Wenn es doch nur Bäume gegeben hätte… das warme Licht beschien ihn wie ein Segen, wie eine Verheißung besserer Zeiten.
    Als die Sonne aufging, wurde er hungrig. Er kletterte den Turm hinunter und ging frühstücken.
    Zweimal wurde er beim Essen unterbrochen.
    Einmal von Highbones, der an der langen Tischreihe entlangspazierte und ihm zuzischte: »Niemand macht mich ungestraft zum Trottel, Lourai. Sieh dich vor; ich erwisch dich noch.«
    Dann von einem Mann, der sich als Ropeknots vorstellte; er kam in Begleitung zweier Leute, die sich anscheinend mehr auf

Weitere Kostenlose Bücher