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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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überhaupt noch an? Sollte er doch seinen Willen haben.
    »Laß mich sterben«, flehte der Papagei.
    Das dreckige Dutzend umzingelte Rillibee, wobei alle wie ein Mann nach oben zeigten, auf die untergehende Sonne.
    »Wird er klettern?« wollten sie wissen und rückten dichter auf, während sie die Regeln darlegten. Sie würden ihm einen Vorsprung von drei Minuten geben und dann die Verfolgung aufnehmen. Wenn es ihm gelang, die nächste Leiter zu erreichen und vor ihnen wieder unten zu sein, wäre er ein Himmelsstürmer. Wenn sie ihn erwischten, wäre er ein Peeper, aber sie würden ihn schon nicht allzu schlimm zurichten, wenn er ihnen eine ordentliche Hatz bescherte. Und wenn er runterfiel, wäre er ein Deader, je nach Absturzstelle. Vielleicht würde er gar keine Verletzung davontragen. Aber wenn er sich weigerte zu klettern, würden sie ihn gleich hier an Ort und Stelle erledigen. Sie würden sein Gesicht in Kot drücken und ihn solange in den Magen schlagen, bis er sich wünschte, er wäre dort oben gestorben anstatt hier unten. Wenn er nicht kletterte, fuhr Highbones fort, würden einige vielleicht noch andere Möglichkeiten finden, sich mit Bruder Lourais Anatomie zu vergnügen, bevor sie ihn töteten. Die anderen pflichteten ihm mit breitem Grinsen und fiebrigen Blicken bei.
    »Hinauf!« riefen sie im Chor. »Hinauf, Lourai! Die Initiation ruft. Klettern!«
    »Klettern!« ertönte es aus einem halben Hundert Kehlen, wobei andere Leute, durch den Aufruhr angelockt, sich dem Dutzend anschlossen, das ihn ausgelöst hatte. An Seilen, die von oben herabgelassen wurden, kletterten sie an der Halle empor und versammelten sich auf dem Dach. »Klettere, Lourai! Klettere!« brüllten die Brüder von Heiligkeit, die Grünen Brüder, Nuazoi, Flumzee und wie sie alle hießen. Mordlust spiegelte sich in ihren Gesichtern.
    Langeweile, hatte Bruder Mainoa gesagt. Fast wahnsinnig vor Langeweile. Und Bruder Lourai würde lernen müssen, mit ihnen auszukommen.
    Ihre Drohungen beeindruckten Rillibee nicht. In den letzten Jahren hatte er dem Tod schon oft ins Auge geschaut. Er hatte keinen Sinn mehr im Leben gesehen, wo Joshua und Songbird und Miriam tot waren. Der Tod wäre keine schlechte Alternative gewesen, obwohl das Erreichen dieses Zustandes sich problematischer gestaltete, als ihm lieb gewesen wäre. Das Sterben war das Problem. Wenn er sich hier und jetzt diesem Rudel auslieferte, würde er schmerz- und schmachvoll sterben, wovon er keinesfalls begeistert war. Wenn er schon sterben sollte, dann wenigstens in Frieden und nicht durch irgendwelche affenartigen Barbaren wie Highbones.
    Was ihn wirklich zur ersten Leiter trieb, war der Lärm, den sie veranstalteten, der Hohn und Spott, mit dem sie ihn überschütteten, die Gewißheit, daß sie ihn nicht in Ruhe lassen würden, solange er nicht handelte.
    Vor der Leiter selbst hatte er keine Angst. All die Jahre war er die Türme von Heiligkeit hinauf- und hinabgeklettert, die zehnmal höher waren als diese hier. Er war ein versierter und routinierter Kletterer. Also kletterte er die Leiter hinauf, zuerst langsam, dann schneller, mit nach oben gerichtetem Blick. Er hatte etwas erspäht, das die Gruppe auf dem Dach entweder nicht gesehen oder nicht beachtet hatte.
    Nebel hüllte die Abtei ein. Die Turmspitzen verschwanden in den Wolken, und die Hängebrücken wurden mit Nebelschwaden drapiert. Vielleicht würden die Leute auf dem Dach es erst dann erkennen, wenn sein Vorsprung schon groß genug war.
    Er erreichte die erste Querverstrebung des Turms. Um die nächste Leiter zu erreichen, mußte er ein gekrümmtes Grasbündel von der Dicke seines Beins überwinden. Im Gegensatz zu den rechteckigen Trägern von Heiligkeit war dieser Ausleger zwar rund, dafür aber auch breiter als die Träger, die er in den Fallschächten bewältigt hatte. Ohne sich dessen überhaupt bewußt zu werden, rannte Rillibee über den Querträger und nahm die zweite Leiter in Angriff, wobei er den weiteren Streckenverlauf überflog. Da waren die Leitern und die Brücken. Und wo war die nächste Wolke?
    Seine Aktion wurde mit einem Geheul der Gruppe quittiert. Neulinge liefen nicht über die Streben! Obwohl die ihm gewährte Zeit noch nicht abgelaufen war, nahm Highbones nun die Verfolgung auf. Er begab sich an den Aufstieg, obwohl einige die Kühnheit besaßen, »Zeit. Zeit. Unfair!« zu rufen.
    Wut kam in Rillibee Chime auf. Highbones hatte gegen seine eigenen Regeln verstoßen. Mit welchem Recht tat er

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