Monströse Welten 1: Gras
das?
Highbones ignorierte die Rufe. Nun folgten auch die anderen, wobei Hardflight und Steeplehands die Führung vor Long Bridge übernahmen. Topclinger blieb indes zurück und rief: »Du hast ihm nicht den versprochenen Vorsprung gegeben, Bones. Du hast ihm zuwenig Zeit gegeben.« Rillibee hörte das. Er hörte auch die zustimmenden Rufe von vielleicht einem Dutzend Leuten. Topclinger hatte durchaus seine Hausmacht.
Rillibee hörte auch Highbones unter sich, hörte die Drohungen, das Keckern, mit dem sie ihn nervös machen und zu Fall bringen wollten. Statt dessen fachte das seinen Zorn nur noch an und steigerte seine Sicherheit und Schnelligkeit. Es befanden sich noch drei Leitern zwischen ihm und der Wolke, die zu ihm herabsank. Die Position der darüberliegenden Leitern und Brücken hatte er sich bereits gemerkt. Er hatte etwas gesehen, das ihm von Nutzen sein konnte, falls er sich für das Leben entschied, und gleich mehrere Dinge, falls er sich für den Tod entschied. Nun hetzte er mit wirbelnden Händen und Füßen aufwärts, angetrieben von Zorn und von widersprüchlichen Gefühlen besessen, teils Furcht, teils Haß. Das Heulen der Kletterer unter ihm schwoll an, als sie vorzeitig zu den Türmen liefen.
»Ich krieg dich, Peeper«, rief Highbones zuversichtlich von unten. »Ich krieg dich.«
Rillibee riskierte einen schnellen Blick. Er hatte bereits eine beträchtliche Höhe erreicht. Die Plattform unter ihm wimmelte vor Kletterern. Er schnellte sich nach oben. Er hatte noch zwei Läufe über Querträger vor sich, die mit zunehmender Höhe immer schmaler wurden, und dann noch die Leiter, die in den Nebel hinaufführte.
Vor Wut verspannte er sich und schnappte nach Luft. Die Arme schmerzten. Es war aber nicht so schlimm, daß die Gefahr eines Absturzes bestanden hätte. Noch nicht. Aber er mußte damit rechnen. Irgendwann. Wann? Der feuchte Nebel legte sich ihm auf die Wangen und kühlte sie. Er kletterte weiter.
Plötzlich tauchte er in den Nebel ein, der ihn wie ein Tuch umhüllte und gleichsam in Watte packte. Die Verfolger verloren ihn aus den Augen, genauso wie er sie nun auch nicht mehr sah. Er war allein in der Wolke, wobei nur der schwankende Turm ihm die Richtung vorgab und die Position der anderen anzeigte. Er verlangsamte das Tempo, schaute sich um und versuchte mit den Augen den sich verdichtenden Nebel zu durchdringen. Nun zeichneten die Konturen des Dings, nach dem er gesucht hatte, sich als Verlängerung des Turms ab. Es verlor sich im grauen Nebel, nur ein paar Meter entfernt.
Rillibee löste den Knoten der Schärpe, zog die Kutte aus, rollte sie zusammen und band die Schärpe darum. Nur noch mit Unterwäsche bekleidet, erklomm er die Spitze, wobei er das Seil um den Hals gewickelt hatte und die zusammengerollte Kutte vor der Brust baumelte. Dieser Fortsatz stammte offensichtlich noch aus der Zeit, als der Turm errichtet wurde; es handelte sich um einen Kran, mit dem Material hochbefördert worden war. Er ruhte auf einer Reihe diagonaler Stützen. Hinter ihm verschwanden die spinnenartigen Stelzen des Turms in der grauen, feuchten Wolke. An der letzten Stütze setzte er sich auf, eingehüllt in eine schallschluckende dunstige Blase.
Etwa drei Meter über dem Sporn befand sich eine Brücke aus drei Tauen, die zwischen diesem und einem nicht weit entfernten Turm gespannt war. Ein Tau diente als Lauffläche und die beiden anderen als Geländer, wobei die Konstruktion noch durch dünnere Seile fixiert wurde. Im Moment sah Rillibee die Brücke zwar nicht, aber er wußte, daß sie da war. Er hatte sie schon von unten gesehen und sich ihre Lage gemerkt. Er hoffte, daß sie sich in Reichweite der Schärpe befand.
Er preßte sich an den Sporn und hakte die Füße in die Verstrebung. Dann wirbelte er die zusammengerollte Kutte wie ein Pendel herum und ließ mit jedem Schwung mehr Leine. Schließlich spürte er, daß die Kutte sich oben in der Brücke verfangen hatte. Eigentlich hatte er geplant, die Schärpe zu einer Schlinge zu verknoten, um sich unter der Brücke einen festen Halt zu verschaffen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dort im Nebel nach ihm zu suchen. Betrübt zerrte er an der Schärpe. Sie hatte sich in der Brücke verfangen. Nach einigen vergeblichen Bemühungen erkannte er, daß er umdisponieren mußte. Die Hängebrücke wäre unter seinem Gewicht nämlich durchgehängt. Die Verfolger, die diese Tour jeden Abend durchführten, hätten sofort erkannt, daß dort etwas war. Und
Weitere Kostenlose Bücher