Monströse Welten 1: Gras
Doktrin lehrt, daß die Arbai an Degeneration gestorben seien. Oder an einer Umweltkrankheit. Aber nicht an der Pest. ›Nicht daß es nur heute keine Teufel gibt, es gab niemals welche‹, sagt die Doktrin. Trotzdem wissen diejenigen von uns, die von anderen Planeten kamen, daß es die Pest früher gab. Und auch die Teufel.«
»Glauben Sie wirklich an die Existenz von Teufeln?« fragte sie mit einem Seitenblick auf Vater Sandoval, der vor Abscheu das Gesicht verzogen hatte. »Glauben Sie gar, daß es sie schon immer gegeben hat, und daß sie nur darauf gewartet hätten, daß intelligente Wesen die Raumfahrt entdeckten? Daß sie nur darauf gewartet hätten, sie in die Schranken zu weisen, wegen Hybris vielleicht?«
»Vielleicht.«
»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Werden Sie sich mit meinem Mann unterhalten?«
Erneut neigte er den Kopf und betrachtete über ihre Schulter hinweg etwas, das nur er sah. »Wenn Sie mir einen Gleiter schicken, gnädige Frau, werde ich natürlich kommen, denn ansonsten wäre es eine Unhöflichkeit. Falls Sie auch Fragen wegen der Gärten von Opal Hill haben sollten, ich war daran beteiligt, sie anzulegen. Das wäre auch eine plausible Begründung für mein Kommen. Ansonsten würden meine Vorgesetzten es sicher nicht genehmigen.«
Sie schwieg für einen Moment und dachte nach. »Wie ist es um Ihre Loyalität gegenüber Ihren Vorgesetzten bestellt, Bruder Mainoa?«
Rillibee/Lourai stieß ein leises Schnauben aus, was Bruder Mainoa mit einem verweisenden Blick quittierte.
»Ich wurde von Heiligkeit verpflichtet, gnädige Frau. Ich hatte kein Mitspracherecht in dieser Angelegenheit. Für Bruder Lourai gilt dasselbe. Und dann wurden wir gegen unseren Willen hierher gebracht, auch ohne Mitspracherecht. Ich erinnere mich nicht einmal, daß man mich nach meiner Loyalität gefragt hätte.«
Vater Sandoval räusperte sich und sagte mit fester Stimme: »Danke, daß Sie uns Ihre Zeit gewidmet haben, Brüder.«
»Wir haben zu danken, Vater.«
»Ich werde einen Gleiter vorbeischicken«, versprach Marjorie. »In den nächsten Tagen. Werden Sie hier sein?«
»Wo wir nun einmal hier sind, bleiben wir solange, bis wir zurückgerufen werden, Lady Westriding.«
»Wie kommt es, Bruder, daß Sie meinen Namen wußten, obwohl wir uns noch nie zuvor begegnet waren?«
»Ach so. Ein Freund von mir interessiert sich für Opal Hill. In diesem Zusammenhang ist dann auch Ihr Name gefallen.« Er lächelte schwach. »Im Verlauf unseres Gesprächs.«
Die Brüder verfolgten den Abflug des Gleiters und kehrten dann in ihr Quartier zurück, wo Bruder Mainoa sein Tagebuch aus dem Versteck holte und die Ereignisse des Tages kommentierte.
»Tust du das immer?« fragte Rillibee/Lourai.
»Immer«, sagte der alte Mann seufzend. »Wenn ich sterben sollte, Lourai, findest du in diesem Buch mein ganzes Wissen und alle Überlegungen.«
»Wenn du stirbst…« Er lächelte.
Mainoa erwiderte das Lächeln nicht. »Wenn ich sterbe. Und wenn ich sterbe, versteck dieses Buch, Lourai. Sie werden sonst töten, wenn sie es bei dir finden.«
Das Wort ›Pest‹ traf Tony wie ein Donnerschlag. Es hallte in seinem Bewußtsein und regte auch andere Gedanken zum Schwingen an. Pest. Natürlich hatte er schon davon gehört. Flüsterpropaganda. Heiligkeit bestritt schlichtweg die Existenz der Seuche. Zum erstenmal stellte er sich die Frage, weshalb Heiligkeit etwas dementieren mußte, das überhaupt nicht existierte. Weshalb war sein Vater nach Heiligkeit gegangen und hatte mit dem Hierarchen über die Pest gesprochen?
Pest. Hier hatte er keine Anzeichen für diese Krankheit erkannt. Man sprach nicht einmal darüber. Tony verbrachte viel Zeit mit Sebastian Mechanic unten im Dorf, machte sich mit den örtlichen Sitten und Gebräuchen vertraut, lernte Leute kennen, aber niemand hatte je die Pest erwähnt. Sicher, es traten Krankheiten auf. Gicht und Rheumatismus. Herzinfarkte. Aber Lungenkrankheiten waren sehr selten. Die Luft war sauber und frei von Schadstoffen. Wenn überhaupt Infektionskrankheiten auftraten, dann nur vereinzelt. Sie waren in dieser kleinen Population ausgemerzt worden, und die Quarantänebestimmungen auf dem Hafen hielten Commons sauber.
Aber die Pest?
»Mutter«, fragte er, wobei er an die Menschen dachte, die sie zurückgelassen hatte und an den Menschen, den er zurückgelassen hatte, »ist zu Hause die Pest ausgebrochen?«
Schockiert drehte sie sich zu ihm um und wollte ihn schon belügen,
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