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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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ihm eigentlich eine Glaubenskrise signalisieren müssen, aber sein Glaube war so fest wie eh und je, nur daß die Akzeptanz gewisser Details schwand. »Sie glauben also an die Erbsünde?«
    »Vater! Das ist doch Doktrin!«
    »Und was ist mit Kollektivschuld? Glauben Sie auch daran?«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Tragen die bons eine Kollektivschuld für das, was Janetta bon Maukerden zugestoßen ist?«
    »Ist das eine doktrinäre Frage?« fragte sie zweifelnd.
    »Was ist mit den Geheiligten?« setzte er die Befragung fort. »Tragen sie eine Kollektivschuld, weil sie ihre Söhne in die Gefangenschaft schicken? Betrachten wir zum Beispiel den jungen Rillibee. Ist der Grund für seine Knechtschaft Kollektivschuld oder Erbsünde?«
    »Ich bin Altkatholikin. Ich habe nicht über die Fehlentwicklungen von Heiligkeit zu befinden!«
    Er mußte ein Lachen unterdrücken. Oh, wenn Marjorie doch nur mehr Sinn für Humor hätte. Wenn Rigo mehr Geduld hätte. Wenn Stella eine höhere emotionale Kompetenz hätte. Wenn Tony mehr Selbstvertrauen hätte. Und wenn Eugenie eine höhere Intelligenz besäße. Ihre Sünden konnte man vergessen, wenn nur ihre Defizite ausgeglichen würden.
    Er seufzte und massierte sich die Schläfen, um den dumpfen Schmerz zu vertreiben; dann erteilte er ihr Absolution und erlegte ihr eine angemessene Buße auf. Sie sollte akzeptieren, daß Rigo an der Jagd teilnahm und nicht zu hart über ihn urteilen. Vater Sandoval hatte Marjorie schon seit Jahren dazu angehalten, ihrem Mann liebevoll zur Seite zu stehen. Marjorie war zwar reumütig, befürchtete aber auch, erneut zu liebevoller Unterstützung vergattert zu werden; deshalb kam diese Buße so überraschend, daß sie sie akzeptierte. Sie würde Rigo zwar nicht verurteilen, aber sie müßte ihn auch nicht unterstützen. Erst später, am Abend, erinnerte sie sich wieder daran, was Vater James über intelligente Viren und Schuld und Sühne gesagt hatte. Als sie seine Fragen noch einmal Revue passieren ließ, mußte sie ständig daran denken.
    Zwischenzeitlich hatte Vater James sich in der Kapelle niedergekniet, um für sich selbst um Vergebung zu bitten. Es war frevelhaft von ihm gewesen, Marjories Glauben auf die Probe zu stellen, um sich selbst in seinem Glauben zu bestätigen. Er war sich nämlich überhaupt nicht sicher, ob Indifferenz gegenüber Rigo das Beste für Marjorie wäre. Wenn die Handlungsweise der bons wirklich sündig war, dann durfte Rigo ihrem Beispiel nicht folgen. Rigo hatte sich eingeredet, er würde sich dem zwanghaften Treiben der bons aus Pflichtgefühl anschließen. Vater James hingegen suchte die Gründe eher in Rigos Ego, und Vater Sandoval dachte nur in Schablonen, so daß seine einzige Handreichung in Klischees bestand. Vater James wünschte sich, mit Bruder Mainoa zu sprechen. Oder mit dem jüngeren, Lourai. Er hatte das Gefühl, daß sie außer ihrem Alter noch vieles gemeinsam hatten.
     
    In der Nacht ertönte ein rhythmisches Donnern.
    Marjorie wachte auf und ging durch die Hallen der Residenz, bis sie auf Persun Pollut stieß, der seinerseits nervös in der Gegend umherlief, sich an den langen Ohren zupfte und den Bart zwirbelte.
    »Was ist das?« flüsterte sie. »Ich habe es früher schon gehört, aber noch nie so nahe wie jetzt.«
    »Man sagt, es seien die Hippae«, murmelte er. »So sagt man im Dorf. Im Frühjahr hört man diese Geräusche oft, während des Sprungs. Ich bin davon wach geworden und zum Haupthaus gegangen, um nach Ihnen zu sehen.«
    Sie legte ihm die Hand auf den Arm und spürte die Gänsehaut durch das Gewebe. »Uns geht es gut. Was machen sie denn, die Hippae?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das weiß wohl niemand genau. Angeblich tanzen sie. Sebastian sagt, er wüßte, wo. Jemand hat es ihm gesagt, aber er spricht nicht gern darüber.«
    »Aha.« Sie standen beisammen, schauten aus den großen Fenstern über die Terrasse und spürten die Vibrationen unter den Füßen. Ein Mysterium. Wie überhaupt alles auf Gras ein Mysterium war. Und sie, Marjorie, trug nichts zu seiner Aufklärung bei.
    In Gedanken war sie noch immer bei den Viren und fragte sich, was ein intelligentes Virus wohl tun würde, das nicht von Gott beobachtet oder befehligt wurde, sondern einfach seiner Bestimmung gerecht werden durfte.
    »Würden Sie Sebastian bitte ausrichten, daß ich ihn sprechen möchte, Persun?«
    »Morgen«, versprach er. »Wenn es hell wird.«
     
    Weit entfernt, jenseits des Hafens und Commons, jenseits des

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