Monströse Welten 1: Gras
Sünde ist; mit den Menschen hat es jedenfalls nichts zu tun.«
»Ist das denn ein Unterschied?«
»Aber ja. Eine Sünde, die sie selbst begangen haben, falls es denn eine Sünde ist, kann durch Buße geheilt und von Gott vergeben werden. Wenn sie Buße tun. Und wenn sie an Gott glauben.«
Wenn Gott an sie glaubt, ergänzte Marjorie in Gedanken. Wenn Gott nicht einmal die Namen seiner menschlichen Viren kannte, weshalb sollte er sich dann mit Füchsen abgeben?
Bruder Mainoa spielte mit den vor ihm liegenden Utensilien und sagte mit nachdenklich gerunzelter Stirn: »Aber nehmen wir einmal an, es handelt sich um eine Sünde ihrer… ihrer Vorfahren?«
»Im Grunde geht es überhaupt nicht darum, wer die Sünde nun begangen hat, ob diese Wesen selbst es waren, ihre Vorfahren oder ob sie es mit der stillschweigenden Duldung oder Billigung ihrer Kameraden getan haben. Die Frage müßte vielmehr lauten, wie Gott die ganze Sache sieht. Um festzustellen, ob in diesem Fall ein Äquivalent der Erbsünde vorliegt, müßte man ermitteln, ob die Füchse überhaupt jemals im Zustand göttlicher Unschuld existiert haben. Gab es eine Zeit, da sie ohne Sünde waren? Haben sie ihre Unschuld verloren, wie der Religion zufolge Adam und Eva?«
Bruder Mainoa nickte. »Ich glaube, das können wir verneinen. Nehmen wir an, es wäre immer schon so gewesen, so weit die Erinnerung reicht.«
»Keine Legenden? Keine schriftlichen Aufzeichnungen?«
»Keine.«
Vater Sandoval verzog das Gesicht, schürzte die Oberlippe und tippte mit dem Daumennagel gegen die Zähne. »Dann ist es durchaus möglich, daß es keine Sünde gibt.«
»Auch nicht, wenn diese intelligenten Tiere wegen etwas, das sie schon immer getan haben, heute Gewissensbisse haben?«
Vater Sandoval zuckte lächelnd die Achseln und hob die Hände gen Himmel. »Bruder… angenommen, wir halten sie der Erbsünde für schuldig. Zunächst müssen wir ermitteln, ob eine Erlösung möglich ist – das heißt, ob irgendein göttlicher Mechanismus existiert, der ihnen vergibt und das Schuldgefühl von ihnen nimmt. Schließlich können sie nicht für etwas büßen, das sie nicht zu verantworten haben, und deshalb wäre es sinnlos, ihnen Buße aufzuerlegen. Sie müssen sich darauf verlassen, daß eine übernatürliche Macht sie von einer Sünde erlöst, sie sie oder jemand anders vor langer Zeit begangen haben. Für die Altkatholiken ist unser Erlöser maßgeblich. Wir erlangen die Unsterblichkeit durch Ihn. Für die Erlösung der Geheiligten ist die Organisation zuständig. Sie garantiert Ihnen die Unsterblichkeit.«
»Die Geheiligten glauben auch an den Erlöser«, bemerkte Bruder Mainoa. »Einst nannten sie sich Seine Heiligen.«
»Kann sein. Wenn es wirklich stimmt, dann handelt es sich jedenfalls nicht mehr um ein signifikantes Element der Doktrin von Heiligkeit; aber darüber will ich mich auch gar nicht mit Ihnen streiten. Es geht jetzt nicht um eine Diskussion der Varianten der Unsterblichkeit und unserer diesbezüglichen Erwartungen. Meine Kirche lehrt, daß die frommen Männer und Frauen, welche vor dem irdischen Dasein und dem Opfer des Erlösers gelebt haben, auch durch dieses Opfer erlöst wurden, selbst wenn sie lange vorher gelebt hatten. Also könnte man annehmen, daß diese Füchse ebenfalls durch dieses Opfer erlöst wurden, obwohl sie auf einer anderen Welt existiert hatten. Darüber kann ich jedoch nicht vor Ort entscheiden. Über diesen Punkt müßte von den höchsten Autoritäten der Kirche befunden werden. Die Beantwortung einer solchen Frage obliegt nicht einem einfachen Priester.«
»Ach so.« Bruder Mainoa setzte ein breites Grinsen auf und schüttelte den Kopf, um seiner Belustigung Ausdruck zu verleihen. »Das ist in der Tat ein interessanter Aspekt. Mit ebensolchen Überlegungen vertreibe ich mir auch bei den Ausgrabungen und der Katalogisierung die Zeit.«
Als Marjorie den leicht verärgerten Ausdruck in Vater Sandovals Gesicht sah, wandte sie sich aus taktischen Erwägungen an den Jüngeren Bruder. »Und Sie, Bruder Lourai? Beschäftigen Sie sich gleichfalls mit solchen philosophischen und ethischen Fragestellungen?«
Rillibee Chime schaute von seinem Salat auf und blickte Vater Sandoval tief in die Augen, wobei er dort mehr erkannte, als dem alten Priester vielleicht recht war.
»Nein«, sagte er. »Meine Leute haben gegen niemanden gesündigt, und ich selbst bin nie in Versuchung geführt worden. Ich befasse mich mit anderen Dingen. Ich denke an
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