Monströse Welten 1: Gras
zumal er fast nur Anspielungen gemacht und sein Begehren zudem poetisch verbrämt hatte.
»Sylvan«, sagte sie erschrocken. »Nein.«
»Ich kann nicht anders«, flüsterte er. »Ich liebe dich. Ich liebe dich, seit ich dich zum erstenmal gesehen habe. Seit dem Augenblick, wo ich dich beim Tanzen in den Arm genommen habe. Du mußt es gewußt haben. Du mußt es doch gespürt haben…«
Mit einem Kopfschütteln brachte sie ihn zum Schweigen. »Wenn Sie nicht still sind, Sylvan, muß ich Sie auffordern, dieses Haus zu verlassen. Ich darf mir das nicht anhören. Schließlich habe ich eine Familie.«
»Ja? Und welchen Unterschied macht das?«
»Für Sie vielleicht keinen. Für mich könnte es aber keinen größeren geben.«
»Befiehlt Ihnen das etwa die Religion? Die Priester, die bei Ihnen sind? Beschützen sie Sie in Rigos Auftrag?«
»Vater Sandoval? Vater James? Natürlich nicht, Sylvan. Sie helfen mir dabei, mich selbst zu beschützen!« Empört wandte sie sich von ihm ab. »Wie soll ich es Ihnen nur erklären? Wir haben nichts miteinander gemein. Und Sie sind noch so jung. Es wäre eine Sünde!«
»Weil ich noch so jung bin?«
»Nein. Das ist nicht der Grund. Weil ich mit einem anderen Mann verheiratet bin, deshalb wäre es eine Sünde.«
Er schaute verwirrt drein. »Nicht auf Gras.«
»Haben Sie denn kein Sakrament der Ehe auf Gras?«
Er zuckte die Achseln. »Bei den bons genießt die Ehe keinen besonders hohen Stellenwert, aber Kinder. Eigene Kinder natürlich, obwohl man oft nicht so genau weiß, ob es wirklich die eigenen sind. In den Adern manch eines bons fließt Commoner- Blut,auch wenn die Obermuns das bestreiten. Sie sind doch selbst ein gutes Beispiel dafür! Weshalb sollte Rowena den ganzen Frühling und Herbst allein im Bett liegen, während Stavenger auf der Jagd ist, sich von der Jagd erholt oder mit den Gedanken bei der Jagd ist? Daß Shevlok Stavengers Sohn ist, bezweifle ich nicht, aber was mich betrifft, bin ich mir nicht so sicher.«
»Gibt es denn keine Sünden auf Gras? Nichts, das in euren Augen falsch ist?«
Er musterte sie intensiv, als ob er in ihrem Innern nach dem Mysterium suchte, mit dem sie ihn konfrontierte. »Wenn ein bon einen anderen tötet, glaube ich. Wenn man eine Frau vergewaltigt oder ein Kind mißhandelt. Oder wenn man etwas von einer anderen Estancia stiehlt. Aber niemand würde an einem Seitensprung Anstoß nehmen.«
Sie schaute ihn fast ängstlich an. Seine Augen glühten vor Begierde, und er streckte die Hände nach ihr aus. Plötzlich war sie versucht, diese Hände zu ergreifen, und Panik überkam sie. So hatte sie einst auch Rigos Hände ergreifen wollen. Wie sollte sie ihm sagen, sie hätten nichts miteinander gemein, wenn sie es im tiefsten Innern selbst wollte? »Sie sagen, Sie lieben mich, Sylvan?«
»Das tue ich.«
»Und ich nehme an, daß dieses Gefühl über die körperliche Lust hinausgeht? Sie wollen also nicht nur meinen Körper?« Sie errötete; so etwas hatte sie noch nie gesagt, nicht einmal zu Rigo. Dabei konnte sie ihm nicht in die Augen sehen; sie ging zum Fenster und schaute hinaus.
»Natürlich nicht«, sagte er konsterniert.
»Wenn Sie mich wirklich lieben«, sagte sie, »dürfen Sie sich nicht mehr zu diesem Thema äußern. Sie müssen das akzeptieren, was ich Ihnen sage. Ich bin mit Rigo verheiratet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ehe glücklich ist oder nicht. Es spielt auch keine Rolle, ob Sie und ich zusammen glücklicher wären als mit einem anderen Partner. Nichts von alledem spielt eine Rolle, und Sie dürfen es nie mehr erwähnen! Meine Ehe ist ein Bestandteil meiner Religion, und diese Tatsache ist unumstößlich. Ich bin Ihre Freundin. Mehr nicht. Wenn Sie religiöse Erläuterungen wünschen, dann wenden Sie sich an Vater Sandoval. Es wäre schon eine Sünde, wenn ich nur mit Ihnen darüber sprechen würde.«
»Was kann ich tun?« fragte er flehend. »Was kann ich tun?«
»Nichts. Gehen Sie nach Hause. Vergessen Sie diesen Besuch. Und vergessen Sie alles, was Sie gesagt haben. Ich werde es nach Möglichkeit auch tun.«
Zögernd erhob er sich; seine Leidenschaft war durch ihre Zurückweisung weitaus heftiger entflammt, als wenn sie seinem Begehren entsprochen hätte. Er konnte von ihr nicht lassen. »Ich bin Ihr Freund«, sagte er weinend. »Und Sie müssen meine Freundin sein. Und wir dürfen die Pest nicht vergessen. Sie sind dabei auf meine Hilfe angewiesen!«
Nun wandte sie sich wieder zu ihm um, mit schützend
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