Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
vor der Brust verschränkten Armen. »Ja, wir brauchen Sie, Sylvan. Wenn Sie uns helfen wollen. Aber nicht, wenn sie wieder von dieser anderen Sache sprechen.« Ihre Kehle war trocken. Am liebsten hätte sie ihn in seinem Kummer getröstet, aber sie wagte es nicht, ihn zu berühren oder auch nur anzulächeln.
    »Na schön. Ich werde nicht mehr von dieser anderen Sache reden.« Mit beiden Händen vollführte er eine ausladende Geste, als ob er aufgeben würde; dabei dachte er überhaupt nicht daran. Wenn er ihr Herz nicht mit Liebesschwüren gewinnen konnte, dann würde er eben einen anderen Weg finden. Jedenfalls würde er ihr weiterhin den Hof machen. Er wußte zwar nichts von Marjories Religion, aber er würde sich damit beschäftigen. Offensichtlich wurden viele Dinge geduldet, die eigentlich verboten waren. Wie sonst hätte dieser stolze, harte Mann, ihr Gemahl, sich eine Mätresse in unmittelbarer Nähe seiner Frau halten können?
    Er blieb noch für eine Weile, wobei er in angemessener Entfernung von ihr Platz nahm, und beantwortete ihre Fragen. Er versprach ihr, sich zu erkundigen, ob eine unbekannte Krankheit auf Gras aufgetreten sei. Er unterließ alles, wodurch sie sich hätte bedrängt fühlen können und pflegte statt dessen eine charmante Konversation. Allmählich entspannte sie sich, gab die Abwehrhaltung auf und verwandelte sich wieder in die Frau, mit der er damals getanzt hatte. Beim Abschied spürte er, daß ihm Tränen in die Augen traten, und er fragte sich, was sie wohl jetzt von ihm denken würde, wobei er sich gleichzeitig wunderte, daß er sich überhaupt darüber Gedanken machte. Er war doch kein Schuljunge mehr, der sich um die Gedanken einer Frau scherte! Und doch… und doch war es ihm nicht egal.
    Sie schaute ihm hinterher. Sie war so aufgewühlt wie schon seit Jahren nicht mehr und wünschte sich von ganzem Herzen, daß er nie gekommen wäre, nie mit ihr gesprochen hätte und – daß sie ihm begegnet wäre, bevor sie Rigo Yrarier getroffen hatte.
    Das war ein verwerflicher Gedanke. Sie ging zum Beten in die Kapelle. Im Lauf der Jahre hatte sie Trost im Gebet gefunden. Nun stellte dieser Trost sich indes nicht ein, obwohl sie fast eine Stunde lang niederkniete und um Seelenfrieden betete. Das Licht auf dem Alter glühte rot. Früher hatte sie es als ein heiliges Auge interpretiert, das sie beobachtete, aber diese Assoziation bestand nun nicht mehr. Sie war einmal Gottes Kind gewesen. Jetzt war sie nur noch ein intelligentes Virus, ein Ding, das von unerlaubten Sehnsüchten geplagt wurde, ohne daß der Schmerz gelindert wurde. »Wann habe ich zum letzenmal über etwas gelacht?« fragte sie sich. »Wann hatten wir als Familie zum letztenmal Spaß?« Es lag schon sehr lange zurück, zu lange; damals war Stella noch ein Kind gewesen, und Rigo hatte noch nicht mit Eugenie angebandelt.
    Sie ging nach draußen. Es war ein kühler Nachmittag. Von Nordosten ertönte das Brummen eines Gleiters. Sie eilte zum Kiesbett, wo er landen würde und schaute schlotternd zum Himmel empor. Sie brauchte Rigo, brauchte Stella, brauchte ihre Familie; sie wollte zu jemandem gehören und von jemandem gehalten werden. Sie würde sie dazu bringen, auf sie zuzugehen und ihr Zuneigung zu schenken. Sie würde nicht nur darum bitten, sondern sie einfordern!
    Der Gleiter kam langsam näher und vergrößerte sich von einem Punkt zu einer Kugel. Dann wurden die extravaganten, im Stil des Rokoko gehaltenen Verzierungen der Kugel sichtbar, wie eine Weihnachtsbaumkugel.
    Schließlich landete der Gleiter. Die Tür wurde geöffnet, und der Diener, der als Pilot fungiert hatte, kam heraus und ging davon, ohne sie anzusehen. Dann erschien Rigo, betrachtete den Gleiter und drehte sich langsam um, bis er sie erblickte. Mit ausdruckslosem Gesicht verharrte er. Zunächst geschah überhaupt nichts. Die anfängliche schreckliche Ahnung verdichtete sich zur Gewißheit.
    »Stella!« schrie sie, wobei das Wort vom Wind verweht wurde.
    Rigo machte eine resignierende Geste, sagte aber nichts. Er kam nicht auf sie zu. Sie wußte, daß er sich schier in Grund und Boden schämte und nichts zu sagen hatte, was ihr irgendwie weitergeholfen hätte.
     
    »Bruder Mainoa«, rief sie und hieb mit der Faust auf den Küchentisch, an dem Vater James und ihr Sohn gerade ein Abendessen einnahmen. »Bruder Mainoa weiß etwas! Er ist draußen im Grasland gewesen. Er hat etwas gesehen. Wenn die Hippae Stella entführt haben, ist er wahrscheinlich der

Weitere Kostenlose Bücher