Monströse Welten 1: Gras
ausgeliefert! Sie schüttelte den Kopf und schickte sie mit einer Handbewegung fort. Erst als der Gleiter aufstieg, wurde ihr bewußt, welch eine Dummheit sie soeben begangen hatte. Und doch…
Zwischenzeitlich war das Hippae herangekommen. Es hielt sich außerhalb der Reichweite der Lanze und unternahm nur gelegentliche Vorstöße. Das Hippae war wendiger als Quixote. Quixote fixierte die Bestie und tänzelte. Marjorie hörte Tony schreien, wagte es aber nicht, sich umzudrehen. Unvermittelt stürmte Quixote los, ohne daß sie ihn dazu aufgefordert hätte. Er tat es aus eigenem Antrieb. Das Hippae riß das Maul auf, sie stieß die Lanze hinein, und weg waren sie, während das Monster zusammensackte und mit halb durchschnittenem Hals ein klägliches Blöken ausstieß.
Fünf, jubelte sie innerlich, während sie nach Tony suchte. Fünf.
Das sechste stand über ihrem Sohn, während Blue Star auf das entfernte Tor zustob, als ob sie genau wüßte, wo es sich befand und daß sie dort in Sicherheit wäre. Das Hippae hatte sich hingekniet, das Maul weit aufgerissen und heulte den Jungen an, bereit, ihm den Kopf abzubeißen. Quixote stürmte wiehernd los…
Plötzlich erschien ein pelziger Schemen auf dem Rücken des Hippae. Ein zweiter drängte sich zwischen das Hippae und den Jungen. Ein dritter verbiß sich in die Hinterbeine. Drei Füchse. Dann kippten die Kreaturen um und rollten als brüllendes Knäuel den Abhang hinunter.
Tony lag reglos da.
Sie saß ab und versuchte, ihn auf Quixotes Rücken zu heben. Erneut bewies das Pferd Initiative und kniete sich hin, um ihr die Sache zu erleichtern. Dann saß Marjorie wieder auf, hielt ihren Sohn fest und folgte Blue Star. Nicht daß sie galoppiert wären, aber zumindest ging es voran.
Am Fuß des Hügels waren die übrigen Hippae von anderen Füchsen gestellt worden. Rowena ritt direkt hinter Rigo. Millefiori bildete die Nachhut. Sie hinkte stark.
»Jetzt«, sagte Marjorie sich. »Hol uns mit deinem verdammten Gleiter ab.«
Und da schwebte er auch schon ein; Persun Pollut fungierte als Pilot, und Sebastian Mechanic fuhr eine Rampe für die Pferde aus.
»Ich wußte, daß Sie die Pferde nicht im Stich lassen würden«, sagte Persun, als sie an Bord gingen. »Das hatte ich auch zu Asmir gesagt, aber Roald meinte, so dumm wären Sie nicht.«
Dumm, sagte sie sich. Dumm? Als ob das die Antwort auf ein Problem gewesen wäre, das sie schon seit langer Zeit belastet hatte. In ihrem Bewußtsein tobte ein Sturm der Begeisterung.
Unter der Leitung von James Jellico war in der Polizeistation das Hauptquartier eingerichtet worden. Ein Dutzend Freiwilliger erbot sich, die Pferde abzureiben. Von Millefioris Beinverletzung abgesehen, schienen alle in Ordnung zu sein. In einer Ecke kümmerte Dr. Bergrem sich mit besorgtem Gesichtsausdruck um Rowena. Rowena hatte sich bei dem Sturz etwas gebrochen. Vielleicht die Schulter. Aber sie hatte auch innere Verletzungen. Sie saß reglos und mit bleichem Gesicht da. Als Marjorie zu ihr hinüberging, flüsterte sie ständig Sylvans Namen.
»Wir haben ihn gefunden«, sagte Marjorie. »Wir haben ihn gefunden, Rowena.«
»Was?« fragte sie. »Wie?«
»Er ist tot, Rowena. Er hat sich beim Sturz den Hals gebrochen. Sie haben ihn nicht berührt.«
»Er ist nicht… oh, er ist nicht…«
»Nein, Rowena«, sagte sie unter Tränen. »Er ist nicht verstümmelt. Wir haben seine Leiche mitgebracht, damit sie begraben werden kann.«
Sie ging wieder zu Tony, der mit weißem Gesicht in einer Ecke hockte und allmählich wieder zur Besinnung kam. Dann erblickte sie Bruder Mainoa, der am Telly saß. Fahrig fummelte Marjorie am Taschenaufschlag; ihre Hände waren ganz steif vom langen Halten der Zügel und dem Führen der Lanze. Es kam ihr so vor, als ob sie Finger aus Holz hätte. Schließlich gelang es ihr, die Tasche zu öffnen und den Brief herauszuholen.
Sie legte ihn vor Bruder Mainoa auf den Tisch. »Ich glaube, das sollte nach Semling gefaxt werden«, sagte sie.
Er las den Brief durch und wurde grau im Gesicht, als ihm die Weiterungen dieses Schriftstücks bewußt wurden. »Äh… ah«, stammelte er. »Äh… ja… aber…«
»Aber?«
Er fuhr sich über die Stirn, wollte schon etwas sagen und schwieg dann doch. Statt dessen überlegte er. »Wenn Sie das jetzt publik machen, werden Panik, Unruhen und Aufstände ausbrechen. Und wenn wir dann ein Gegenmittel finden, werden die Behörden so mit der Aufrechterhaltung der Ordnung beschäftigt
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