Monströse Welten 1: Gras
Lippizaner-Reiter trainiert wurde. Rigo ritt Don Quixote, einen Araber. Tony auf Millefiori, einer Vollblutstute. Drei Stuten waren Vollblüter, und eine, Irish Lass, war wegen ihrer Größe ausgewählt worden. Wenn sie ein ganzes Gras- Jahr oder noch länger auf diesem Planeten festsaßen, wollten sie sich wenigstens das Vergnügen bereiten, eine eigene Zucht aufzubauen.
Tony führte sie durch eine niedrige Senke, bis sie nach einer halben Meile eine natürliche Arena erreichten, in der er die Pferde trainiert hatte, eine ebene, fast kreisrunde Fläche, die mit bernsteinfarbenem Gras bewachsen war. Dort angekommen, machten sie diverse Übungen, Trab, Trott, Handgalopp, wieder Trott, Trab, zuerst in der einen Richtung, dann in der anderen; noch mehr Trott und Handgalopp, bis sie schließlich abstiegen und die Pferde untersuchten.
»Sie atmen nicht einmal schwer«, stellte Rigo fest. »Sie werden mit jedem Tag besser.« Er klang enthusiastisch, doch Marjorie wußte, daß er etwas im Schilde führte. Rigo war immer dann am glücklichsten, wenn er eine verdeckte Aktion durchführte. Worum würde es sich diesmal handeln? Wollte er etwa die Eingeborenen verblüffen? »Erstaunlich, wie schnell sie sich wieder erholt haben«, ließ er sich über die Pferde aus.
»Genauso wie wir«, sagte Marjorie. »Ein paar Tage haben wir uns elend gefühlt, und dann waren wir wieder fit. Den Muskeltonus haben sie auch nicht verloren. Wir sollten noch ein paar Minuten weitermachen und sie dann zurückbringen. Morgen dann mehr.«
Sie saß auf und fiel wieder in den vertrauten Rhythmus. Halber Paß, enger Kreis, halber Paß.
Ihr Blick fiel auf den Hügelkamm, wo die grelle Frühlingssonne einen merkwürdig dunklen Schatten warf. Geblendet schaute sie nach oben und erspähte irgendwelche Konturen, die sich vor dem Licht abhoben; die Sonne blendete sie so stark, daß sie sie nicht eindeutig identifizieren konnte. Pferde? Eine Vision geschwungener Hälse und gerundeter Kruppen, mehr nicht. Sie wußte weder wie groß noch wie weit entfernt sie waren.
El Dia Octavo blieb stehen und folgte Marjories Blick. Ein Laut des Unbehagens entrang sich seinem Hals, und die Flanken zitterten, als ob er sich eines Angriffs von Stechmücken erwehren würde. »Schsch«, sagte sie und tätschelte ihm den Hals, besorgt wegen seiner Unruhe. Irgend etwas dort oben machte ihn nervös. Erneut schaute sie in die blendende Sonne und versuchte, etwas mehr zu erkennen. Eine Wolke driftete auf die Sonne zu, aber noch bevor sie sich davorgeschoben hatte, waren die Silhouetten schon wieder vom Grat verschwunden.
Die Beobachter legten anscheinend Wert darauf, unerkannt zu bleiben. Sie trieb Octavo an und wollte zum Kamm hinaufreiten, um zu sehen, wohin sie verschwunden waren, wer oder was auch immer es gewesen war.
Der Hengst zitterte, als ob er Schmerzen verspürte, als ob er eine schreckliche Gefahr witterte. Ein Geräusch entrang sich seiner Kehle, Vorstufe eines Schreis. Nur die an ihn gepreßten Beine und die Hand am Hals hielten ihn noch zurück. Er schien kaum mehr imstande, sich auf den Beinen zu halten und weiterzugehen.
Interessant, sagte sie sich streiflichtartig und bemerkte das Zittern von Octavos Flanken. Sie trieb ihn nicht mehr an, sondern konzentrierte sich nur noch darauf, ihn zu beruhigen. »Schsch«, machte sie erneut. »Es ist alles gut, es ist alles gut.«
Unvermittelt wurde sie selbst von Panik befallen; nun wußte sie, was das Pferd fühlte und erkannte, daß überhaupt nichts gut war.
5
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Am Morgen der Jagd wurden alle Yrariers von einer diffusen Angst befallen, die keiner zeigen und noch viel weniger mit den anderen teilen wollte. Obwohl Marjorie fast kaum geschlafen hatte, stand sie früh auf und ging durch den Verbindungstunnel zur Kapelle. Dort wohnte sie der Frühmesse bei, und als sie Rigo später im Eßzimmer antraf, gestand sie ihm ihre Nervosität. Auch wenn er sich äußerlich gelassen gab, so war er doch so unruhig wie ein Jockey vor dem Rennen; er hatte ein richtig flaues Gefühl im Magen. Als Tony den Raum betrat, begrüßte er seine Eltern mit einem Überschwang, aus dem seine ganze Einsamkeit sprach. Er beugte sich über seine Mutter und umarmte sie so stürmisch, als ob er sich an sie klammern wollte. Dann kam Stella, halb angezogen, mit einem verächtlichen Blick und ohne jedes Anzeichen von
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