Monströse Welten 1: Gras
bon Damfels’ denn von anderen begleitet?«
»Normalerweise jagen zwei oder drei Häuser zusammen. Diesmal werden die bon Damfels’ mit den bon Laupmons und den bon Haunsers jagen.«
»Aber nicht mit Ihrer Familie.«
»Nein, nicht mit meiner Frau und den Kindern. Normalerweise nehmen die Frauen und kleineren Kinder nur an der Heimat-Jagd teil.« Er schob das Kinn vor. Sie hatte schon wieder ein heikles Thema angeschnitten.
Marjorie seufzte stumm. Welche Themen waren denn nicht heikel an diesem Ort.
»Gleich werden wir landen!« rief der Obermun.
»Sind wir etwa schon in Klive?«
»O nein; mit diesem Gleiter kämen Sie nicht bis nach Klive, Lady Marjorie. Er ist zu laut. Er würde die Hunde nervös machen. Nein, von hier aus reisen wir mit dem Zeppelin weiter. Zeppeline sind praktisch geräuschlos. Und relativ langsam, so daß Sie alles mitbekommen werden.«
Und in der luxuriösen Kabine eines propellergetriebenen Zeppelins, die an den Seiten und unten über Fenster verfügte und so plüschig ausgestattet war, daß sie scheinbar ungeeignet war für ihre Funktion, setzten sie den Flug fort und landeten geräuschlos auf einer Wiese am Rande von Klive. Sie wurden von Stavenger begrüßt, dem Obermun bon Damfels und von Rowena, der Obermum bon Damfels, die beide in Schwarz gekleidet waren, mit kleinen purpurnen Umhängen und Schleiern. Offensichtlich Trauerkleidung.
Den Besuchern wurde Wein gereicht. Rowena nippte nur daran. Stavenger trank überhaupt nichts. Die Yrariers erwähnten das schöne Wetter. Marjorie kondolierte murmelnd. Stavenger schien ihre Worte überhaupt nicht zu hören. Rowena, die Ringe um die tief eingesunkenen Augen hatte, schien ganz woanders zu sein, verloren in einer Trauer, die zu schmerzlich war, als daß sie in der Lage gewesen wäre, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Oder vielleicht waren verbale Trauerbekundungen hier nicht üblich. Während sie das Verhalten der anderen beobachtete, kam Marjorie allmählich zu dem Schluß, daß diese Interpretation korrekt war. Obwohl die bon Damfels’ Trauer trugen, nahm niemand Notiz davon.
Nun wurden die Yrariers anderen Familienmitgliedern vorgestellt – zwei Töchtern, zwei Söhnen, wobei die Namen jedoch nur genuschelt wurden, so daß Marjorie sie nicht richtig verstand. Einer der Söhne musterte sie gründlich, als ob er Maß an ihr nehmen wollte: für ein Kleidungsstück – oder ein Leichentuch, dachte Marjorie mit einem Schauder. Er wirkte sehr bleich und angespannt in der dunklen Montur, was seiner stattlichen Erscheinung aber keinen Abbruch tat. Überhaupt war es eine stattliche Familie. Die anderen Kinder der bon Damfels’ wirkten entrückt und antworteten nur auf direkte Fragen, wenn überhaupt.
Stella flirtete unverhohlen, auf eine Art, die ihr jedoch nicht unbedingt schmeichelte. Sie hatte es immer schon für nützlich gehalten, Freundschaften zu schließen, und es war ihr auch immer gelungen, bis heute. Nur ein Sohn der bon Damfels’ ließ sich mit wenigen Worten und einem halben Lächeln auf ihre Avancen ein. Alle anderen schienen eingefroren zu sein. Langsam stellte das Mädchen seine Bemühungen ein, verwirrt und verärgert.
Eine Glocke ertönte. Alle bon Damfels’, außer Rowena, entschuldigten sich und waren plötzlich wie vom Erdboden verschwunden.
»Sie ziehen sich für die Jagd um. Wenn Sie mir folgen wollen«, sagte sie leise, fast flüsternd, »wir werden vom Balkon aus zusehen, bis die Jagd aufbricht.«
Tony und Marjorie folgten ihr und wechselten dabei fragende Blicke. Nichts war hier vertraut oder vorhersagbar. Weder verbal noch nonverbal kam eine Emotion herüber, die sie zu interpretieren wußten. Rigo und Stella gingen hinter ihnen, wobei sie mit düsteren Blicken die Landschaft einsogen und wieder ausspien. Soviel zu euren Gärten. Soviel zu eurer Gastfreundschaft. Soviel zu eurer Trauer und eurer Jagd, an der ihr uns nicht teilnehmen laßt. Marjorie spürte, wie sie vor Wut kochten, und sie bekam eine Gänsehaut. Das war alles andere als diplomatisch. Mit Feindseligkeit erreichte man gar nichts.
Diese Wut hielt auch dann noch an, als sie sich auf dem Balkon befanden und mit Essen und Trinken bewirtet wurden. Nichts war vertraut, diese Versammlung hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit einer vergleichbaren Veranstaltung zu Hause. Eine Zeitlang blickten sie stumm auf die Erste Fläche, nippten an den Getränken und knabberten am Imbiß, wobei sie ihren Zorn zu unterdrücken versuchten und Rowena
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