Monströse Welten 2: Hobbs Land
glich.
»Mama-Gem«, sagte Sarlia, »die Ärmel sind so schwer. Damit wirst du wohl kaum spielen können.«
Stenta stand auf und nahm das Kleid in Augenschein. Es dauerte nicht lange, bis sie die entsprechenden Nähte gefunden hatte. Sie trennte sie auf und entfernte die Ärmel. Darunter befanden sich weitere Lagen aus leichter phansurischer Seide.
»Ich betrete die Bühne glitzernd und strahlend wie eine Göttin«, sagte Stenta mit unbewegter Miene und stolzierte im Raum umher. »Der Dirigent und ich verneigen uns voreinander. Danach verbeuge ich mich vor dem Publikum, so daß die Ärmel wie Flaggen herunterhängen. Dann winke ich den Leuten in der den Gharm eigenen grazilen Art zu. Anschließend nehme ich an der Harfe Platz, wobei ich darauf achte, daß ich mich auf die Sitzfläche des Kleides setze. Ich möchte nämlich nicht, daß die Schmetterlinge schmerzhafte Abdrücke auf dem Hintern verursachen. Dann breite ich die Arme weit aus, so daß die Ärmel glitzern. Nun tritt eine Frau hinter der Bühne hervor, beugt sich über mich und löst die Ärmel. Die darunterliegenden Ärmel sind signalrot, so daß dem Publikum keine meiner Armbewegungen entgeht. Und dann fange ich an zu spielen. So haben wir es geprobt; es soll eine richtige Show werden. Der Dirigent sagt, weil ich so klein sei, müsse ich das durch spektakuläre optische Effekte ausgleichen.«
»Schön«, sagte Liva. »Ich werde es aufhängen, Mama-Gem.«
»Nein«, widersprach ihre Mutter. »Die Perlen sind zu schwer. Leg es im freien Zimmer aufs Bett. Der Schneider der Königin hat gesagt, daß es liegend gelagert werden soll. Während des Konzerts wird es sich sowieso noch etwas längen. Das Kleid ist nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt.«
»Und die Armbänder?«
»Welche Armbänder?«
»Die zusammen mit dem Kleid im Paket gelegen haben«, sagte Sarlia und brachte sie zum Vorschein. Sie glitzerten in denselben Farben wie das Kleid, nur daß sie mit Edelsteinen anstatt mit Perlen besetzt waren.
»Ach, wie nett von der Königin«, sagte Stenta. »Sie ist zu gütig.«
»Ich lege sie zum Kleid«, sagte Liva. »Dann kann Mama uns noch etwas von den Tchenka erzählen.«
* * *
Sie-Setzt-Die-Schöpfung-Fort wanderte singend zwischen den Welten und den Sternen umher, doch die Welten waren öde und langweilig, während die Sterne feurig und gefährlich waren. »Ich werde Leben herbeisingen«, sagte Sie-Setzt-Die-Schöpfung-Fort, als sie sich gerade wieder auf einer Welt befand. »Ich werde Leben herbeisingen, damit es nicht mehr so langweilig ist.« Und sie streckte die Hand aus und sang Wasser herbei, dann Gras, und danach trug sie beides zu vielen Welten, während sie gleichzeitig Wald herbeisang. Anschließend sang sie den Wasser-Drachen herbei, den Wüsten-Drachen, den Wald-Drachen und alle anderen Arten von Drachen und schickte sie auf verschiedene Welten, wo sie leben sollten…
* * *
»Ihr legt sicher keinen Wert darauf, daß ich die gesamte Litanei noch einmal aufsage«, sagte Stenta. »Die Liste der Tchenka habe ich euch nämlich schon vorgetragen, als ihr acht Jahre alt wart!«
»Richtig«, sagte Liva. »Zuerst die Drachen, dann die Fische, die Plankton fressen, Fische, die sich von Dingen auf dem Meeresgrund ernähren und Fische, die andere Fische fressen; dann Vögel, die Gras fressen, Vögel, die sich von Korn ernähren und Vögel, die andere Vögel fressen. Und so weiter, Kreaturen aller Art. Alle Tchenkas, die nun für immer verloren sind.«
»Vielleicht sind sie überhaupt nicht verloren, auch wenn die Legenden es behaupten«, sagte Stenta seufzend. »Schließlich trifft Sie-Setzt-Die-Schöpfung-Fort sich mit allen Tchenkas am Fuße des Ewigen Berges, um zu entscheiden, was zur Bewahrung des Gleichgewichts zu tun sei. Aber die Tchenkas der Menschen hatten sich geweigert, die Menschheit im Gleichgewicht zu halten, weshalb sie von den anderen Tchenkas getötet wurden. Und seitdem haben die Menschen keine Tchenkas mehr.«
»Aus diesem Grund töten sie auch alles und jeden«, sagte Liva, »denn im Gegensatz zu uns Gharm fühlen sie sich den Kreaturen der Welten nicht verbunden.«
»Deshalb sind diese Voorstoder auch so böse«, sagte Sarlia, »denn sie haben keine spirituellen Grundlagen.«
»Psst«, flüsterte ihre Mutter. »Das Wort ›Voorstoder‹ ist eine Beleidigung der Tchenkas. Wenn du es noch einmal in den Mund nimmst, werde ich dich ruhigsingen, wie Sie-Setzt-Die-Schöpfung-Fort die Stille herbeigesungen hatte, in die
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