Monströse Welten 2: Hobbs Land
Er-Ist-Erschaffen sich zurückzog.«
Sie ging zur Harfe, die am Fenster stand; es handelte sich um eine große Konzertharfe, die größte, an der ein Gharm noch spielen konnte. Die vielen Saiten waren so dicht gespannt, daß die schlanken Gharm-Finger gerade noch dazwischenpaßten. »Ich singe nun das Lied, das Sie-Setzt-Die-Schöpfung-Fort bei der Erschaffung des Vogels gesungen hat«, sagte Stenta und griff in die Saiten.
Ihre Töchter lauschten stumm. Draußen auf der Straße hielten die Leute bei ihren Verrichtungen inne und wandten den Kopf in die Richtung, aus der die Musik kam. Im Gesang manifestierten die Vögel sich in ihrer ganzen Schönheit. Die Leute sahen vor ihrem geistigen Auge, wie sie sich im Rhythmus der Melodie bewegten. Dabei war es auch kaum von Bedeutung, daß es weder auf Ahabar noch in Voorstod solche Vögel gab, sondern daß sie zusammen mit den Wäldern, Sümpfen und Flüssen von Gharm untergegangen waren. Hauptsache, sie überlebten in der Musik. Auch nachdem die Musik geendet hatte, schienen die Vögel noch im Raum präsent zu sein, als ob ihre Seelen von dem Ort, an dem sie bisher geweilt hatten, zurückgekehrt wären.
»Geht nun nach Hause«, sagte Stenta mit strahlendem Gesicht zu ihren Töchtern, als ob sie soeben mit einem Engel gesprochen hätte. »Helft euren Töchtern, die Kinder zu versorgen. Ich will mich ausruhen, denn bald werde ich für die Königin spielen.«
* * *
Auf dem Hochplateau von Hobbs Land träumte Shan Damzel von Ninfadel.
»Vergiß nicht, das Visier zu schließen«, sagte der Offizier im Außenposten. »Vergiß nicht, den Schleim abzuwaschen, bevor er eintrocknet.«
Shan verließ den Außenposten. Er verschwand hinter ihm, wie Erscheinungen im Traum verblassen, und wurde unerreichbar und unwirklich. Nun stand er allein auf dem Hügel oberhalb des Flusses. Gezänk drang an seine Ohren, und als er nach unten schaute, erkannte er Porsa am Fluß; sie kamen schneller auf ihn zu, als er es für möglich gehalten hätte.
Er wollte weglaufen, aber die Füße versagten ihm den Dienst…
Er schaffte es gerade noch, das Visier zu schließen, bevor er…
…mit unerbittlicher Macht von etwas eingesogen wurde.
* * *
Jep lernte, Gräben auszuheben. Anfangs verursachte die schwere Arbeit ihm Schmerzen, doch allmählich gewöhnte er sich daran. Ausschachtungen von Hand erschienen ihm schwachsinnig, wo es hier auch Maschinen gab, die diese Arbeit schneller und besser erledigt hätten, doch auf Voorstod wurde so mancher Schwachsinn kultiviert. Also legte er sich ins Zeug, um die Arbeit zu beenden, doch wenn er einen Graben ausgehoben hatte, wartete schon der nächste auf ihn. Am vierten Tag dämmerte ihm, daß man ihn nur deshalb zu dieser Sisyphusarbeit vergattert hatte, um ihn zu zermürben. In diesem Zustand würde er nicht aufbegehren und schon gar nicht an Flucht denken. Der Farmer brauchte diese Gräben überhaupt nicht, und falls doch, dann hätte er nicht unter diesem Zeitdruck gestanden. Mit dieser Erkenntnis stellte sich ein gewisser Fatalismus ein. Von diesem Moment an ließ er sich Zeit bei der Arbeit, als ob er einen Gott ausgraben würde; er deponierte den Aushub in ordentlichen Reihen zu beiden Seiten der Gräben und vervollkommnete die Arbeit zu einer wahren Kunstform.
Dennoch fiel ihm die Arbeit schwerer als zu Hause. Ihm fehlte der ungehinderte Blick bis zum Horizont. Die ganze Welt war in Nebel gehüllt, und dieses düstere Ambiente entsprach auch seinen Empfindungen. Negative Emotionen umwaberten ihn, Zorn, Haß und Bedrohung. Immer wenn einer der Männer in seine Nähe kam, spürte er Unzufriedenheit und eine nur mühsam unterdrückte Aggressivität. Diese Feindseligkeit indes war nicht spezifisch gegen ihn gerichtet. Nicht einmal gegen die Gharm. Diese üble Aura war schlicht und einfach eine Ausprägung der Lebensbedingungen, die ihnen von dieser tristen Welt aufgezwungen wurden.
Diese kriegerische Atmosphäre jagte Jep Angst ein. Er spürte sogar, daß sich nun auch tief in seinem Innern eine Aggressivität manifestierte, die er bisher nie für möglich gehalten hätte. Er unterdrückte diese Anwandlungen und dachte an die Zeit, nachdem Bondru Dharm gestorben war. Damals waren auch negative Schwingungen zu spüren gewesen, wobei die Kinder das jedoch nicht so intensiv empfunden hatten wie die Erwachsenen. Allerdings hatten die Kinder auch am Tempel gearbeitet. Hier indes gab es keine Tempel.
Wirklich nicht?
Als der Gharm Nils ihm an diesem
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