Monströse Welten 2: Hobbs Land
verstehen!«
Zögernd stellte Nils den Kessel auf den Boden, ergriff einen im Kamin liegenden Ast und verteilte etwas Asche vor dem Kamin, die er dann mit dem Ast zu einer dünnen Schicht auswalzte. Nun zeichnete er eine dicke, vertikale Gerade in die Asche und versah sie am oberen Ende mit einem Knubbel, so daß das ganze zum Schluß aussah wie ein nach oben gerichtetes Bein mit einem geschwollenen Fuß.
»Voorstod«, flüsterte Nils und zeigte auf den Umriß. Dann fuhr er mit dem Finger vom Fuß zum Knie und unterteilte das Gebilde in zwei Hälften. »Die Bergkette«, erklärte er, »die sich wie ein Rückgrat durch ganz Voorstod zieht.« Er zeigte auf den breiteren Teil (»Die Küstenregionen.«) und den schmaleren Teil (»Die Bergregionen.«). Anschließend tippte er auf den Fuß, an der Stelle, wo sich normalerweise die Zehen angeschlossen hätten. »Sarby County. Hier befinden wir uns.« Der Finger wanderte in Richtung Ferse. »Panchy County, Odil County.« Schließlich hatte er die Ferse erreicht. »Bight County mit der Stadt Scaery, wo Maire Manone lebte.« Der Finger wanderte am Bein abwärts. »Cloud County, Leward County und die Stadt Selmouth. Dann kommen die drei Regionen der Apostaten, wie die bösen Männer sie nennen: Wander, Skelp und Green Hurrah. Und dahinter schließt sich Jeramish an, eine Provinz von Ahabar. Die Grenze ist von der Armee abgeriegelt.«
Jep prägte sich die Skizze ein und merkte sich die Erläuterungen des kleinen Mannes. »Und wie heißen die Hochland-Counties?«
Nils wies auf den ›Spann‹ des Fußes. »County Kate ist unsere südliche Nachbarregion. Im Osten schließt sich County Furbish an. Weiter im Süden liegen das Nord-Hochland-County und das Süd-Hochland-County; dabei handelt es sich um langgestreckte, schmale Regionen, die zwischen den Bergen und der See eingekeilt sind. Es gibt dort keine größeren Städte, nur Dörfer. Häfen gibt es überhaupt nicht. Im Westen steigt das Gebirge wie eine Wand aus dem Meer. Die Flüsse ergießen sich als Wasserfälle in die See.«
Pirva beugte sich nach vorn und deutete auf die Landenge, welche die Halbinsel mit dem Festland verband. »County Skelp«, sagte sie und tippte vielsagend auf die Stelle. »Der Isthmus von Skelp. Wenn wir zur Flucht den Landweg nehmen, müssen wir durch das County Skelp. Wir schaffen es vielleicht, wenn wir uns tagsüber im Grasland verstecken und nachts durch das Felsengebiet marschieren. Aber höchstens zwei Leute auf einmal. Nicht mehr.«
»Die Leute in Skelp sind euch freundlich gesonnen?« fragte Jep.
»O ja, manche schon. Sie versuchen zumindest, uns zu helfen. Aber die Sklavenjäger sind überall. Und wenn sie herausfinden, daß ein Bewohner von Skelp uns geholfen hat, dann verliert er oder sie das Augenlicht, die Hände, die Männlichkeit beziehungsweise die Brüste, oder ihre Kinder werden ermordet. Oder vielleicht auch alles zusammen.«
Jep studierte die Skizze. »Und was ist mit dem Seeweg?«
»Es gibt nur wenige Häfen. Old Port in Odil. Scaery. Cloud. Selmouth. Sie werden alle überwacht; nicht einmal eine Maus würde unbemerkt herein- oder hinauskommen.«
»Und was ist mit der übrigen Küste?«
»Felsen und starke Brandung. Wenn es überhaupt Ankerplätze gibt, dann nur für Boote.«
Jep seufzte. »Dann setzt ihr euch also einzeln und in kleinen Gruppen ab.«
»Richtig. Es wird ausgelost, wer geht. Von jedem Tchenka und aus jedem Clan werden ein paar Leute hinausgeschleust, damit die Rasse überlebt. Kinder. Männer und Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter. Keine Alten. Und jedesmal nur ein paar. Bei uns heißt es: ›Ein Kind für das Leben, ein Kind für den Tod. Zwei für die Zukunft, zwei für das Opfer.‹ Wenn ein Baby geboren wird, weinen wir, denn vielleicht wird das Kind als Opfer dargebracht, den wilden Bestien zum Fraß vorgeworfen oder von den bösen Männern zu Tode gepeitscht. Es gehen immer nur so viele von uns, daß die Voorstoder nicht vor Wut die Beherrschung verlieren und daß unser Volk und die Tchenkas überleben.«
»Was ist ein Tchenka?« fragte Jep.
Sie erzählten es ihm, wie sie es ihren eigenen Kindern erzählt hätten, und als sie endlich die lange Liste der Tchenkas abgearbeitet hatten, die jedes natürliche und übernatürliche Lebewesen auf Gharm umfaßte, war das Feuer heruntergebrannt, und Jep gähnte herzhaft.
»Bis demnächst«, sagte er. Er brauchte Zeit, um all das zu verarbeiten, was sie ihm erzählt hatten.
In der Zwischenzeit hob er
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