Monströse Welten 2: Hobbs Land
wieder mit.
»Was sollen wir jetzt tun?« rief China. »Was wirst du tun, Maire? Bringst du den Mut auf, nach Voorstod zurückgehen?«
»Ob ich den Mut dazu aufbringe? Nein. Ich bin nicht mutig. Ich habe vielmehr schreckliche Angst. Aber zurückkehren werde ich auf jeden Fall.« Maires Augen lagen tief in den Höhlen, und ihr Gesicht war eingefallen. »Ich muß den Jungen retten. Aber nicht, weil er Sams… du weißt schon ist. Ich tue es um seiner selbst willen. Das Problem ist nur, daß meine Rückkehr ihm vielleicht auch nichts nutzen wird. Ich kenne diese Männer. Wir können ihnen nicht vertrauen. Ich muß mir überlegen, wie ich ihn dort raushole.«
»Aber was werden sie mit dir machen, wenn sie dich wiederhaben?« fragte Africa.
»Das weiß nur ihr rachsüchtiger Prophet. Awateh, wie sie ihn nennen, der Prophet des Allmächtigen, Chef dieses ganzen frommen Metzgerladens. Er ist die letzte Instanz, was mein Schicksal angeht. Ich glaube aber nicht, daß sie mich sofort umbringen werden. Es muß nämlich einen Grund dafür geben, weshalb sie mich wiederhaben wollen. Wenn sie mich nur hätten töten wollen, hätten sie das auch schon hier tun können.«
Zitternd vor Angst ging sie zu Sam zurück, und er tröstete sie und versprach ihr, daß er sie nicht allein gehen lassen würde. Er hätte sie begleitet, selbst wenn sie mit einem Lied auf den Lippen nach Voorstod gegangen wäre. Das war es, was Theseus ihm versprochen hatte. Er wußte es. »Ich werde mit dir gehen, Mam. Ich werde dich nicht allein dorthin gehen lassen. Verlaß dich drauf.«
Sie weinte sich an seiner Schulter aus, während er über ihren Kopf hinweg die Wand anstarrte. Es war an der Zeit, daß er seinem Vater begegnete. Dem Mann, der sein Vater war. Phaed Girat. Er redete sich ein, daß er die Wahrheit erfahren wolle, obwohl er glaubte, daß er die Wahrheit bereits kannte. Auch wenn man Dad sicherlich keine gute Führung bescheinigen konnte und Maire durchaus das Recht auf ihrer Seite hatte, so irrte sie dennoch, wenn sie Dad für alles Übel in Voorstod verantwortlich machte. Ohne Zweifel war Mugal Pye ein Schurke, doch mit derselben Gewißheit würden Sam und Phaed, wenn sie erst einmal zusammengefunden hatten, die Sache wieder in Ordnung bringen. Dann wechselten Maire und er noch ein paar Worte, wobei sie indes aneinander vorbeiredeten. Sie glaubte, er würde sie beschützen, und er war der Ansicht, daß es im Grunde überhaupt nichts gab, wovor er sie hätte beschützen müssen.
Maire spielte auf Zeit. Je mehr Zeit sie gewann, desto besser, sagte sie sich. Sie beabsichtigte nämlich nicht, auf direktem Weg nach Voorstod einzureisen. Der einzige Grund, aus dem sie das Wagnis überhaupt einging, war die Rettung des Jungen. Sie wollte nicht das geringste Risiko eingehen, bevor Jep Wilm nicht frei war. Obwohl Mugal Pye ihr die Unversehrtheit des Jungen zugesichert hatte, glaubte Maire seinen Versprechungen nicht mehr, als wenn er sich als Meßdiener ausgegeben hätte.
Also hielten sie und Sam Ilion tagelang hin, während er und Mugal Pye Botschaften austauschten. Die Zentralverwaltung und Ahabar standen ebenfalls in Kontakt miteinander, allerdings nur inoffiziell. Maire hatte Ilion zwar gesagt, daß sie sofort aufbrechen würde, aber sie wies ihn auch darauf hin, daß sie nicht allein gehen wollte; und Sam mußte erst die Amtsgeschäfte an einen Stellvertreter übergeben, bevor er die Siedlung Eins verlassen konnte. Weil Ilion die ganze Aktion ohnehin sinnlos erschien, hinterfragte er diese Erklärung auch nicht weiter. Jep konnte von Glück sagen, daß die Verschwörer der alten Frau eine großzügige Bedenkzeit eingeräumt hatten. Die ursprünglichen Überlegungen, Maire ein paar Körperteile des Jungen zu schicken, um die Entscheidungsfindung zu beschleunigen, hatten sich durch ihre schnelle Antwort nun erledigt. Und daß sie in Begleitung von Sam kommen würde, war in ihren Augen auch kein Problem. Ganz im Gegenteil: Dann hätten sie im Bedarfsfall nämlich eine zweite Geisel. Sie waren durchaus kulant, wenn auch bedingt.
Ein paar Tage vor der Abreise wandte Samstag Wilm sich mit einem Anliegen an Maire.
»Ich muß euch begleiten«, sagte Samstag.
»Niemals, Kind. Dich will ich nicht auch noch einem Risiko aussetzen.«
»Darum geht es nicht, Maire Girat. Es geht nicht um meine Interessen, und nicht einmal um Jeps Interessen. Es geht um den Gott. Der Gott sagt mir, ich soll dorthin gehen, wo Jep ist. Ich habe dort eine Aufgabe zu
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