Monströse Welten 2: Hobbs Land
sagte nicht, daß Jep tot sei. Wenn Jep sich irgendwo in der Nähe befunden hätte, ob tot oder lebendig, wäre sowohl Birribat Shum als auch Samstag Wilm das nicht verborgen geblieben. Also war Jep weder in einer der Siedlungen noch in der Zentralverwaltung, und genausowenig hielt er sich in dem Sektor auf, dessen Radius vom Hochplateau begrenzt wurde.
Diesen Sachverhalt trug sie einem sichtlich skeptischen Samasnier Girat vor.
»Hat der Gott dir das gesagt?«
»Eigentlich nicht«, gestand sie.
»Was hat er dann gesagt?«
»Er hat es mir indirekt mitgeteilt«, sagte sie um Präzision bemüht. »Als ob ich im Kopf eine Frage formuliert und dann der inneren Stimme gelauscht hätte. Bei manchen Antworten hat man eben das Gefühl, daß sie wahr sind.«
Sam erkannte Parallelen zur Arbeitsweise seines eigenen Bewußtseins. Er selbst hätte es als Intuition bezeichnet, doch hielt er es durchaus für möglich, daß der Gott diesen Effekt noch verstärkte. Dann widmete er sich dem Studium einer Landkarte und fragte sich, wo man wohl noch suchen konnte. Eine Suche auf dem Hochplateau erschien ihm witzlos, doch das war ungefähr der einzige Ort, der sich noch in einer vertretbaren Entfernung befand.
Am dritten Tag erfuhren sie schließlich, daß eine weitere Suche sinnlos war. Blaß und verstört erschien Maire bei Sam und präsentierte ihm eine schriftliche Nachricht. Sie wollte sie von diesem jungen Mann, Ilion Girat, erhalten haben, den sie beide getroffen hatten.
»Jeopardy Wilm hat das geschrieben«, sagte sie zu ihrem Sohn. »Dein Junge.« Sie hielt ihm den Brief hin.
Erschüttert von diesem Verstoß gegen die Konventionen sagte Sam: »So habe ich dich noch nie reden hören, Mam. Schließlich hast du mir oft genug gesagt, daß wir den Begriff ›Vater‹ auf Hobbs Land nicht verwenden!«
»Ja, das weiß ich auch, Sammy. Aber jemand anders weiß das anscheinend nicht, denn sonst hätte er den Jungen nicht entführt. Indem man ihn als Geisel genommen hat, will man mich zwingen, nach Voorstod zurückzukehren.« Sie wedelte mit dem Brief vor seinem Gesicht herum, bis er ihn schließlich nahm. »Ich hatte es dir gesagt, Sammy. Aber du hast mich für eine dumme alte Frau gehalten. Du warst richtig zornig. Und doch hatte ich recht.«
Sam fühlte sich elend. Er hatte sie schlicht für paranoid gehalten, und nun hielt er diesen Brief, diesen eindeutigen Beweis in Händen. Er war so sicher gewesen, daß sie Phaed… nun, bloß etwas unterstellt hatte. Andererseits erwähnte Jep Phaed mit keinem Wort. Mugal Pye und dieser Junge, Ilion, waren doch nach Hobbs Land gekommen, um Jep zu entführen. Möglicherweise waren auch noch andere daran beteiligt, aber nicht Phaed. Wahrscheinlich wußte Phaed nicht einmal davon. Er hätte doch nicht damit gedroht, den Jungen umzubringen! Schließlich war er sein Enkel!
»Wäre dieser Mugal Pye wirklich fähig, jemanden umzubringen, Mam? Bist du dir ganz sicher?«
Der Zorn über seine Hartnäckigkeit überwältigte sie, und sie legte die mütterliche Sanftheit ab, die sie ihm gegenüber immer an den Tag legte. »Willst du sie vielleicht noch entschuldigen, Sammy?« schrie sie. »Mach nicht den gleichen Fehler wie ich und belüge dich selbst! Ob sie fähig wären, jemanden umzubringen, fragst du? Hast du etwa schon vergessen, was mit deinem kleinen Bruder geschehen ist? Was ist denn mit den Abolitionisten? Was ist mit den Frauen und Kindern, die von Terrorbomben zerfetzt werden? Und was ist mit den Gharm, die totgepeitscht und von Hunden zu Tode gehetzt werden?«
Sam schüttelte nur den Kopf und wünschte sich, er hätte die Frage nicht gestellt. Bei diesem Thema war sie zu keiner rationalen Reaktion fähig. Selbst wenn er ihr konzedierte, daß ein großer Teil von dem, was sie sagte, sicherlich der Wahrheit entsprach, so bedeutete das noch lange nicht, daß Phaed etwas damit zu tun hatte.
»Nicht daß ich ihnen jeden einzelnen Mord nachweisen könnte«, murmelte sie. »Ich weiß nur, daß sie jede Stunde, jede Nacht Morde geplant haben…«
Sie konnte es nicht beweisen. Als Sam das hörte, vergaß er sofort alles, was sie bisher gesagt hatte. Sein Vater hatte wahrscheinlich nichts damit zu tun. Er war durchaus überzeugt davon, daß in Voorstod schlimme Dinge geschahen, doch sein Vater hatte damit nichts zu tun. Am Ende wurde er selbst von den Verschwörern nur benutzt.
Maire ging allein zum Clanhaus der Wilms zurück. Sie wollte nicht, daß Sam sie begleitete. Den Brief nahm sie
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