Monströse Welten 2: Hobbs Land
und mit hochlehnigen, in Reihen angeordneten Stühlen ausgestattet war. Die Rückseiten der Lehnen waren mit individuellen Schnitzereien verziert, und viele Stühle waren mit Männern besetzt, auf deren Lederwams die gleichen Gegenstände noch einmal in Farbe oder als Perlenbesatz abgebildet waren. Die Männer hatten sich die Oberseite der Köpfe kahlgeschoren; das bis zu den Knien reichende Haar war auf ganzer Länge mit Federn, Perlen oder Knochen durchwirkt.
Die Plätze auf dem Podest am entgegengesetzten Ende der Halle waren sämtlich mit Propheten besetzt. Auf dem Stuhl mit der höchsten Lehne thronte der Mann mit den tiefliegenden Augen und dem schmallippigen Mund; er saß in stummer Wut da, während andere sich zu ihm hinüberbeugten und ihm etwas ins Ohr flüsterten. Mugal schubste Jep auf eine niedrige Bank hinter einer Säule, die ihm vor den Blicken des Propheten Deckung bot. Wenn er sich vorbeugte, konnte Jep zwischen den Männern hindurchschauen, ohne selbst gesehen zu werden.
Einer der jüngeren Propheten erhob sich von seinem Platz und befahl Ruhe.
»Wir sind heute abend zusammengekommen, um die Feierlichkeiten in Fenice zu beobachten«, sagte er.
»Tod den Ungläubigen«, skandierte jemand, und sofort stimmten alle eine monotone Rezitation dieser Worte an. »Tod der Satansbrut«, rief der Einpeitscher, und auch diese Forderung wurde von den Anwesenden bereitwillig aufgegriffen.
Mit erhobener Hand brachte der Prophet den Saal zum Verstummen.
»Um die Zeit bis zum Beginn der Feierlichkeiten zu überbrücken, wollten wir eigentlich diese Satansbrut von Hobbs Land verhören, die wir als Geisel genommen haben, um diese Apostaten-Frau zur Rückkehr zu motivieren.«
Spontaner Jubel, Pfiffe und Bemerkungen, die Jep geflissentlich überhörte.
»Allerdings«, fuhr der Prophet fort, »wird die Frau so lange in Jeramish bleiben, bis dieser Junge unverletzt freigelassen wird. Also werden wir auf eine Befragung verzichten…«
Worauf der schmallippige Prophet den Sprecher grimmig ansah und wutentbrannt den Stab auf den Boden stieß.
»Zum Teufel damit, was die Frau will«, brüllte jemand aus dem Publikum. »Gib uns den Jungen und gib ihr dann den Rest.« Dieser Vorschlag wurde begeistert aufgenommen.
Zwei Propheten knieten sich neben den Awateh und redeten mit erhobenen Händen auf ihn ein. Der Sprecher hob die Hand und wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war.
»Wenn er uns etwas Wichtiges zu sagen hätte, würden wir das auch tun«, sagte der junge Prophet fast tröstend. »Aber das ist nicht der Fall. Er weiß so gut wie nichts von Maire Manone. Er weiß nichts von Ahabar, und was er von Hobbs Land weiß, interessiert uns nicht.«
Ein Raunen lief durch den Saal. »Was soll das heißen, kennt kaum seine Oma? Ist er denn nicht ihr Enkel? Was meint er damit?«
Von anderer Seite kamen Erklärungen. Jep schlug die Hände vors Gesicht und wischte sich den kalten Schweiß von Wangen und Augenbrauen.
»Weshalb stellen wir ihm nicht wenigstens ein paar Fragen?« ertönte wieder die fiese Stimme.
Der Prophet zuckte die Achseln und nahm wieder Platz. Sofort entspann sich eine Diskussion. Der Prophet ließ die Leute eine Weile gewähren, und dann hob er erneut den Arm. »Ihr schnattert durcheinander wie ein Entenschwarm. Der Reihe nach.«
»Wie kommt’s, daß du deine Oma nicht kennst, Junge?« blaffte der Wortführer ihn an.
Jep wurde hochgerissen und so plaziert, daß alle ihn sahen. Mit gesenktem Kopf erwiderte er, daß sie auf Hobbs Land nicht den Status seiner Großmutter gehabt hätte. Als er ihr zorniges Murmeln hörte, wünschte er sich, er hätte eine andere Antwort parat gehabt.
»Aber du hast sie doch schon singen hören, oder?« fragte ein anderer.
Jep hätte sich mit einem einfachen ›Ja‹ aus der Affäre ziehen können, doch dazu hätte er lügen müssen, und das hätte sich nicht mit seiner ausgeprägten Wahrheitsliebe vertragen. »Nein, ich habe sie noch nicht singen hören«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Allerdings bin ich auch nicht sehr musikalisch.«
Auch wenn Phaed und seine Spießgesellen Jep vielleicht nicht geglaubt hatten, so hielten sie es anscheinend für das beste, keine schlafenden Hunde zu wecken; auf jeden Fall wurde seine Antwort nicht angezweifelt, sondern kommentarlos akzeptiert.
»Leben viele Frauen von Voorstod auf Hobbs Land?« fragte jemand.
»Ich weiß nicht«, entgegnete Jep wahrheitsgemäß. »Ich glaube, die Kinder interessieren sich nicht sehr
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