Monströse Welten 2: Hobbs Land
nicht im mindesten den Eindruck eines in Gewalt und Haß versunkenen Landes.
Der Gleiter stieg an der Flanke des Grats empor, überflog die Burgmauer und landete schließlich im Innenhof. Das erste, was Jep nach dem Aussteigen sah, waren hoch in der Mauer eingelassene Haken; an vielen hingen vertrocknete Bündel, aus denen Knochen hervorschauten, und an einigen hingen Körper, die noch zuckten oder stöhnten. Das zweite, was ihm auffiel, war die geschwärzte Möbiusschleife eines Transmitters vor hohen, mit Flechten bewachsenen Mauern. Über diesen Mauern und hinter ihnen ragten die Türme der Zitadelle wie Finger in die Höhe. Dies war das Zentrum des Glaubens. Es stank nach Tod und Verwesung.
»Was ist das?« fragte Jep im Versuch, sich von der Mauer und den Delinquenten abzulenken, und zeigte auf den Transmitter.
»Der Transmitter, durch den wir gekommen sind«, sagte Mugal Pye. »Wir haben ihn zur Erinnerung hier aufgestellt.« Er sagte indes nicht, zur Erinnerung woran, und Jep fragte auch nicht nach. So verbrannt, wie der Transmitter aussah, war er sicher nicht mehr funktionsfähig.
»Gehen wir in die Stadt?«
»Unwahrscheinlich, Junge. Es sind Spione in der Stadt. Die Zusammenkunft findet hier in der Zitadelle statt, wo wir unter uns sind und die Propheten dich ungestört in Augenschein nehmen können.« Es schwang ein boshafter Unterton in seiner Stimme mit, und Jep überkam ein Schaudern; er fragte sich, ob er vertrauliche Informationen hatte, an denen sie vielleicht interessiert waren. Er wußte, daß sie nicht zögern würden, ihn zu einer Aussage zu bewegen. Was er indessen nicht wußte, war, ob er diese Versuche auch überleben würde.
Eine Gestalt näherte sich ihnen, ein großer Kapuzenmann in einer wallenden Robe. Die stechenden Augen lagen tief in den Höhlen, und der Mund war zu einem Schlitz zusammengepreßt. Er hatte einen Stab, den er bei jedem Schritt auf die Steine stieß.
»Eure Heiligkeit«, murmelte Epheron Floom; dann fiel er vor ihm auf die Knie und beugte sich so weit nach vorne, bis er mit der Stirn den Boden berührte. Preu Flandry war nicht ganz so zügig auf den Knien, aber er verneigte sich genauso tief.
»Wir haben eine Botschaft erhalten«, knurrte der Prophet. »Steht auf.«
»Welche Botschaft, Liebling Gottes?« wisperte Preu.
»Die Frau bleibt so lange in Jeramish, bis der Junge unbeschadet freigelassen wird. Dann wird sie kommen. Das hat sie geschworen.«
»Dann wird sie kommen. Wenn Maire Manone ein Versprechen gibt, dann wird sie es auch halten«, sagte Pye.
»Alle Frauen sind Kreaturen Satans«, knurrte der Prophet. »Und eine Apostatenfrau ist das Spielzeug des Teufels.« Im Grunde hatte seit dem Gespräch mit Faros die ganze Sache mit Maire Manone an Dringlichkeit verloren. Wahrscheinlich hatte sie sich sogar erledigt. Ursprünglich hatte er geglaubt, daß Faros und Ornil vielleicht ersetzt werden müßten, wobei ein solches Projekt mehrere Generationen in Anspruch genommen hätte. Aber das war nun nicht der Fall. Die Verzögerung war nur kurz gewesen. Das Ende nahte schnell. Er würde das Ende noch selbst erleben.
Nun gesellte sich ein jüngerer Prophet zu ihnen und verneigte sich tief vor seinem Kollegen. »Awateh, wir haben bereits zugestimmt, den Jungen zurückzuschicken. Er nützt uns nichts, aber die Frau wird uns vielleicht von Nutzen sein.«
»Satan!« kreischte der Alte und stieß so fest mit dem Stab auf den Stein, daß er erbebte. »Er ist eine Satansbrut, und es ist uns befohlen, sie alle auszulöschen. Unser Krieg ist ein Heiliger Krieg.« Trotz seines derangierten Zustands war er jedoch mental noch so präsent, um die Möglichkeit einer Blockade durch Ahabar in Betracht zu ziehen. Vielleicht sollte man versuchen, ihn zu besänftigen.
»Awateh«, sagte der andere und schaute Preu und Epheron mit einem leichten Kopfschütteln an. Während der jüngere Prophet mit dem älteren Kollegen davonging, fielen die Gläubigen erneut auf die Knie, wobei sie Jep mit zu Boden zerrten.
Sie wollten sich gerade wieder erheben, als Mugal Pye zu ihnen stieß. »Er kocht vor Wut«, flüsterte Mugal. »In diesem Zustand ist er schon, seit er die Botschaft von Maire Manone erhalten hat. Ein Prophet nimmt von einer Frau keine Anweisungen entgegen, schon gar nicht von einer abtrünnigen Frau. Das wird unsere Pläne vielleicht etwas beeinträchtigen.«
Dann führten sie Jep durch einen von ihren Schritten widerhallenden Gang in einen Raum, der mit Bannern behangen
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