Monströse Welten 2: Hobbs Land
ein Fest handeln.« Erneut zuckte er die Achseln und lächelte der Reihe nach Maire, Sam und Samstag an. »Was will man da machen?«
Sam runzelte die Stirn. Wegen der Sicherheit würde man sich heute abend wohl keine Sorgen machen müssen.
Schließlich erfolgte der Einzug des Orchesters; Männer und Frauen waren einheitlich gekleidet, wobei die Farbe jedoch variierte: Blau für die Streicher, Grün für die Holzblasinstrumente, Orange für die Metallblasinstrumente, Gelb für die Donnermaschinen, Rot für Schlagzeug und Bordeaux für die Windmaschinen. Während die Musiker ihre Plätze aufsuchten, entfalteten sie eine Geräuschkulisse, wie sie seit alters her für ein Orchester charakteristisch ist.
Eline richtete die Aufmerksamkeit auf die vergoldete Loge neben der ihren, wo eine größere Gruppe Gharm sich einrichtete. Eline verneigte sich, und die Gharm erwiderten die Verbeugung. »Stenta Thilions Familie«, flüsterte Eline. »Ihre Töchter, Enkelinnen und Urenkelinnen.«
Schließlich erschien der Dirigent, dessen große, schwarze Gestalt auf dem Podest sich wie ein Schatten vor einem Regenbogen ausnahm. Die Leute applaudierten. Als das Orchester bereit war, verneigte der Dirigent sich. In der Rückwand der Loge der Königin öffnete sich eine Tür, und plötzlich stand Königin Wilhulmia vor ihnen, flankiert von ihren beiden Söhnen. Sie hob die Arme und lächelte huldvoll. Das Publikum begrüßte sie mit einer stehenden Ovation, und das Orchester spielte die Nationalhymne, in die alle einstimmten. Dann nahmen die Leute wieder Platz, der Saal wurde verdunkelt, und Stenta Thilion erschien auf der Bühne.
Wie klein sie war. Wie ein Kind, ohne daß sie indes etwas Kindliches an sich gehabt hätte. Der Gang war würdevoll, der Gesichtsausdruck ruhig. Das glitzernde Kleid reflektierte das Licht in jede Ecke des Saals. Die weiten Ärmel berührten den Boden, als sie sich vor der Königin verneigte, und als Stenta dann die Arme ausbreitete und zur Decke hinaufschaute, wo Hundertschaften von jubelnden Gharm saßen, entfalteten sie sich zu Flaggen.
Das Publikum stimmte in den Jubel ein und applaudierte ihr. Stenta Thilion verneigte sich erneut, wobei die Ärmel sich auf dem Boden in Falten legten.
Dann trat Schweigen ein. Sie setzte sich an die Harfe und breitete in einer theatralischen Geste die Arme aus. Ein dunkel gekleideter Assistent erschien auf der Bildfläche, trennte die Ärmel ab, faltete sie gemessen zusammen und verschwand mit ihnen. Nun sahen die Leute Stentas in scharlachrote Seide gehüllten, schlanken Arme, die mit Juwelen besetzten Armbänder und die schmalen, feingliedrigen Hände. Sie lächelte dem Dirigenten zu und nickte mit dem Kopf.
Und dann wurde es Magie.
Bis auf die Musik war es in der Halle totenstill. Kein Hüsteln, kein Flüstern, kein Schuh, der auf dem Boden schabte. Das Publikum war schlichtweg verzaubert.
Das Konzert wurde mit schwungvoller Musik eröffnet. Stentas Bewegungen waren von einer unnachahmlichen Grazie. Dann ertönten getragenere Weisen. Stenta senkte den Fuß, und verstärkte Bässe durchdrangen die Halle, die von höheren Tönen überlagert wurden.
Ein Raunen ging durchs Publikum, ein Seufzer der Bewunderung. Die Kenner der Harfenmusik wußten, daß das, was Stenta soeben dargeboten hatte, eigentlich unmöglich war. Die Laien wußten nur, daß sie schöne Musik gehört hatten. Die Königin beugte sich vor, legte unter völliger Mißachtung der königlichen Etikette den Ellbogen auf das Geländer und stützte das Kinn auf die Hand. Sie wirkte ganz entrückt.
Erneut ertönten die Bässe, bis ein Hornsignal ein neues Thema ankündigte.
Dieses Lied kenne ich, sagte Samstag sich. Maire hat es mir beigebracht. Es war ein martialisches Kampflied.
Das Thema steigerte sich zu einer Klimax. Die Trommeln setzten ein. Dann fielen die Hornisten ein, wobei sie darauf achteten, die Harfe nicht zu übertönen. Ein rot gewandeter Mann ergriff die großen Zimbeln und hob sie über den Kopf. Licht umspielte sie.
Die Musik steigerte sich zu einem Crescendo, die Zimbeln erbebten, und dann ertönte ein lauter Knall…
Beim Anblick dessen, was auf der Bühne vorging, sprangen die Leute schreiend von den Sitzen auf. Maire flüsterte etwas, flankte über das Geländer und rannte auf die kleine Frau zu, die kleine Frau, die die Arme ausbreitete, aus denen das Blut strömte, die kleine Frau, die plötzlich keine Hände mehr hatte.
Der Kommandeur folgte Maire. Die Wachen hatten die
Weitere Kostenlose Bücher