Monströse Welten 2: Hobbs Land
es nicht weiß«, sagte Samstag. »Dafür weiß ich andere Dinge. Sie sind mir regelrecht zugeflogen, wie Teile eines Puzzles. Ich weiß es einfach, und wenn ich den Mund aufmache, formen sie sich zu Worten. Ganz ohne mein Zutun.«
»Das ist der Gott, der durch dich spricht«, sagte Jep überzeugt.
»Das glaube ich auch. Aber wenn es um andere Dinge geht, bin ich völlig ahnungslos. Vielleicht interessiert der Gott sich nicht dafür.« Samstag setzte sich auf und wischte sich das Gras von der Hose.
»Ein Gott interessiert sich für alles«, ertönte plötzlich Gotoit Quillows Stimme in ihrem Rücken. Die Trauerphase war offensichtlich vorbei, denn sie wurde von den beiden anderen Quillows und Thurby Tillan begleitet. Die Kinder wirkten ruhig und gefaßt. »Man sollte eigentlich annehmen, daß der Gott alle unsere Interessen teilt.«
Samstag hatte während ihres Aufenthalts auf Ahabar gründlich darüber nachgedacht. »Das hatte ich zuerst auch geglaubt. Aber dann habe ich mich gefragt, was der Gott überhaupt tut. Ich meine, wenn der Gott sich für etwas interessiert, dann würde er sich wahrscheinlich auch dafür einsetzen, nicht? Wenn er sich nun nicht in unser Alltagsleben einmischt, dann bedeutet das wahrscheinlich, daß es ihn wenig kümmert, was wir tun.«
Africa beendete das Studium ihrer Hände und sagte: »Vielleicht liegt es einfach daran, daß wir im Alltagsleben einen großen Handlungsspielraum haben. Wahrscheinlich gibt es Tausende von Möglichkeiten, Getreide anzubauen oder das soziale Leben zu gestalten. Der Gott interessiert sich nicht für die Details, auch wenn er uns bei der Verbesserung der Kommunikation und der Abschiebung von Störenfrieden hilft.«
Samstag nickte ihrer Mutter zu. »Und das betrifft nicht nur unsere Kommunikation, sondern auch die zwischen den Katzen und überhaupt zwischen allen intelligenten Wesen auf Hobbs Land. Also ist dem Gott Intelligenz wichtig.«
»Was noch?« fragte Gotoit.
»Vielfalt ist ihm auch ein Anliegen«, entgegnete Africa nach kurzer Überlegung. »Samstag hat recht, was die Katzen betrifft. Außerdem hatte es sich bei den Leuten, die gegangen waren, um solche gehandelt, die den Menschen für die Krone der Schöpfung hielten und die sich noch dazu über andere Menschen erhoben«, sagte Africa nachdenklich. »Verfechter des ›Nach-meinem-Ebenbild‹-Paradigmas. Blut und Boden. Die Art von Leuten, die ohne mit der Wimper zu zucken andere Spezies ausrottet, um Lebensraum für die Menschen zu schaffen. Anhänger der ›Macht-euch-die-Welt-untertan- und-vernichtet-sie‹-Philosophie.«
»Ich frage mich, was geschehen würde, wenn ich der Intelligenz oder der Vielfalt Schaden zufügen wollte. Würde er mich dann aufhalten«, fragte Jep.
»Das bräuchte er gar nicht«, sagte Africa. »Du würdest es nämlich gar nicht erst versuchen, weil du von vornherein wüßtest, daß es keine gute Idee ist.« Sie stand auf und wischte sich das Gras von der Hose. »Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, daß meine Autonomie beeinträchtigt ist. Ich wähne mich noch immer im Besitz meines freien Willens. Ich glaube nicht, daß der Gott uns beeinflußt, außer in einigen wenigen Fällen, wobei er das aber auch nur tut, um unser Wohlergehen und Urteilsvermögen zu optimieren.«
»Wovor hatte Shan Damzel dann überhaupt Angst?« fragte Jep.
Die Leute zuckten die Achseln. Africa schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Jep«, sagte Samstag. »Ich weiß nur, daß Shan für den Überfall verantwortlich ist, und ich frage mich schon die ganze Zeit, was ihn wohl dazu veranlaßt hat. Aber bisher habe ich keine Antwort gefunden. Er muß sich vor etwas ganz anderem gefürchtet haben. Vor etwas, das uns unbekannt ist.«
* * *
Sam und China gingen zum Siedlungsbüro und organisierten die Versorgung der Katzen mit Milch. Dann sorgten sie dafür, daß die Lagerhäuser für die Katzen freigehalten und die Tiere zum Hochplateau transportiert wurden. Anschließend gingen sie zu Chinas Schwesternhaus und setzten sich auf die Veranda. Sie saßen einfach nur in gemeinsamem Leid zusammen; es gab nichts, was die Trauer gelindert oder gar eine Katharsis herbeigeführt hätte.
»Du bist noch nicht wieder du selbst, Sam«, sagte China. Als sie im Büro gewesen waren, hatte sie beschlossen, diesen Punkt zur Sprache zu bringen. Sam hatte ihr fast nichts von Voorstod erzählt. Das meiste, was China wußte, hatte sie von den Kindern erfahren. »Trauerst du noch immer um Maire?«
»Ich trauere…
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