Monströse Welten 2: Hobbs Land
ausliefen, war sie in den Augen ihres Volkes mit jedem Zoll eine Königin – auch wenn sie wirklich nicht mehr jung war.
Wenn Wilhulmia eine depressive Phase hatte, sagte sie manchmal, daß sie ihre Jugend und Schönheit der Voorstod-Frage geopfert hätte. »Vergeudet«, sagte sie, denn die jahrelangen Bemühungen waren ohne Ergebnis geblieben, und jeder wußte das. Sie war die bisher letzte in der langen Reihe der Regenten von Ahabar, die der Voorstod-Problematik mehr Zeit gewidmet hatten als allen anderen Regierungsgeschäften zusammen. Vor fünfhundert Jahren, als die Konflikte und Streitigkeiten der Kolonialperiode beigelegt worden waren und die Menschen sich zusammengesetzt hatten, um eine stabile Regierung zu schaffen, unter der sie in Frieden leben konnten, hatte man sich auf eine konstitutionelle Monarchie unter König Jimmy verständigt – alle bis auf Voorstod. Diese Leute hatten sich keinen Deut geändert, seitdem sie durch ihren illegalen Transmitter in die Halbinsel eingefallen waren, die Gharm vor sich hergetrieben und das Land für den Propheten in Besitz genommen hatten. »Zorn, Eisen und Voorstod. Tod für Ahabar«, lautete seither ihr Schlachtruf.
Die Voorstoder konnten von Glück sagen, daß sie zu einer Zeit auf Ahabar eingetroffen waren, wo diese Welt zerstritten und für militärische Interventionen nicht gerüstet war. Später, nachdem viele Gharm von der Halbinsel nach Jeramish und in die südlichen Regionen geflohen waren und die Leute über die wahre Natur von Voorstod aufgeklärt hatten, hatte Ahabar handeln wollen, war aber von Authority zurückgepfiffen worden. Ahabar hätte das Problem am liebsten mit einem Militäreinsatz gelöst, aber Authority verweigerte seine Zustimmung. Man stufte den Konflikt zwischen Voorstod und Ahabar als eine >möglicherweise religiöse Angelegenheit< ein und leitete die Sache an den Religionsrat weiter, der sie seinerseits dem Theologischen Konzil vorlegte. Worauf das Konzil befand, daß Sklaverei und Barbarei nicht mit der Religion zu vereinbaren seien – oder vielleicht doch.
»Lasset uns abwägen«, sprach das Theologische Konzil. »Ist Voorstod ein Sklaven-Staat oder ein Gottes-Staat?« Jeder wußte, daß einige Mitglieder des Konzils bestochen worden waren, obwohl es bisher niemandem gelungen war, den entsprechenden Nachweis zu führen.
Jedesmal, wenn Ahabar kurz vor einer Intervention stand, bestand Authority darauf, die Sache einer erneuten Würdigung zu unterziehen. Voorstod verlangte die Auslieferung seiner entflohenen Sklaven. Statt dieser Forderung zu entsprechen, drohte Ahabar mit der Invasion, woraufhin Authority militärische Maßnahmen untersagte, solange man die Angelegenheit noch diskutierte. Sollten die geflohenen Gharm als Vertragsbrüchige und Apostaten ausgeliefert werden, wie Voorstod forderte? Oder sollte man den Gharm Zuflucht gewähren, wie Anstand und Moral es geboten? Letztlich ging es um eine Abwägung zwischen humanitären und religiösen Aspekten, und dazu sah Authority sich nicht in der Lage. Statt dessen rief die Regierung allenthalben zu Verhandlungen auf.
Hätte es sich um einen Konflikt zwischen anderen Religionen gehandelt, dann wäre eine Lösung auf dem Verhandlungsweg auch möglich gewesen. Voorstods Gott indes war eine eifersüchtige und rachsüchtige Gottheit, deren Herrschaft auf Mord, Terror und Repression gegründet war. Wie sollte man mit so jemandem verhandeln? Wo andere Götter die Abordnung von Delegierten gestattet hätten, um vor dem Parlament von Ahabar zu reden, vertrat der Gott von Voorstod die Ansicht, die Schmach könne nur dadurch gerächt werden, indem man alle Parlamente in die Luft jagte. Wo andere Götter danach strebten, das Paradies bereits auf Erden zu erschaffen, versprach der Gott von Voorstod den Menschen zwar auch das Paradies, aber erst nachdem sie einen vorzugsweise grausamen Tod gestorben waren. Dann würden die Gläubigen sich auf grünen Auen ergehen, an Weintrauben laben und Jungfrauen vögeln. Das war die Verheißung der Propheten.
Wie bei anderen Völkern, deren Existenz nur auf vergangene Sünden und ein in der Zukunft liegendes Paradies fixiert war, war auch in Voorstod die Gegenwart die reine Hölle.
Deshalb mußte Königin Wilhulmia oft weinen, und als ihr Berater ihr mitteilte, daß Voorstod eine neue Forderung erhoben hätte, brach sie erneut in Tränen aus. »Was wollen sie nun schon wieder?« fragte sie.
Der alte Lord Multron räusperte sich und schickte sich zum
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