Monströse Welten 2: Hobbs Land
setzten sie und Maire sich ans Ufer des namenlosen Flüßchens, das durch die Hochebene westlich der Siedlung Eins strömte.
»Du machst einen glücklichen Eindruck«, sagte Samstag. Üblicherweise wirkte Maire Girat nämlich depressiv; es handelte sich aber nicht um eine akute Störung, sondern eher um eine Aura, wie sie eine Frau eben umgibt, die einen schweren Verlust erlitten hatte. In letzter Zeit schien es ihr jedoch besser zu gehen.
»Wirklich?« fragte sie. »Nun, das ist durchaus möglich, Samstag. Seit kurzem kommen mir die Tage freundlicher vor, als ob sich etwas verändert hätte; ich weiß aber nicht, was.«
»Ich habe generell den Eindruck, daß es den Leuten besser geht«, sagte Samstag. »Heute morgen habe ich meine Mutter singen hören; das hat sie schon lange nicht mehr getan.«
»Ich glaube, du hast recht. Sam war richtig aufgekratzt, als ich ihn heute morgen gesehen hatte. Und drei Leute, die bisher nur griesgrämig dreingeschaut hatten, haben ›Guten Morgen‹ gesagt. Sogar die Babies im Kinderhort haben weniger geschrien. Und was mich betrifft, so habe ich gestern ein kleines Lied über einen ferf komponiert. Ich habe es nicht gesungen, Gott behüte, sondern nur geschrieben.«
»Sag mir, wie es geht«, sagte Samstag.
Mit krächzender Stimme trug Maire alle drei Strophen vor, und die beiden lachten über die Mühe, die es dem ferf bereitete, die Körner zu seinen Kindern zu bringen.
»Es muß ihre Kinder heißen«, korrigierte Samstag. »Ein Mutter- ferf. Entweder das oder ein Onkel- ferf.«
Schamerfüllt nickte Maire. »Manchmal wähne ich mich noch in Voorstod, wo nicht die Onkels, sondern die Väter die Familie ernähren. Nicht daß sie besonders pflichtbewußt wären. Wie dem auch sei, ich habe das Lied für die Kinder in der Kinderkrippe komponiert. Sam hat mich dort zur Arbeit eingeteilt. Er sagt, ich sei zu alt für die Feldarbeit.«
»Vielleicht weiß er auch, was die Babies an dir haben«, sagte Samstag, obwohl sie der Ansicht war, daß es sich eher umgekehrt verhielt. »Du gibst ihnen die Liebe, die du deinem kleinen Sohn nicht mehr geben konntest.«
»Das ist richtig«, erwiderte Maire und schaute Samstag mit klaren Augen an.
»Wie ist er gestorben, Marjorie?«
Die ältere Frau knetete die Hände, eine Geste, die sie oft machte, wenn sie nachdachte oder sich an etwas erinnerte. »Ein Gesandter der Königin sollte vor dem Phyel, dem Parlament von Voorstod, reden. Der Phyel sagte ihm sicheres Geleit zu, nicht aber die Anhänger der Sache. Später erfuhr ich dann, daß beide Seiten ein Komplott geschmiedet hatten: Der Phyel wollte die Sache für den Mord verantwortlich machen, damit die Sache sich die Tat dann an ihre Fahne heften konnte. Also legten die Männer der Sache einen Hinterhalt. Weil weder ich noch die anderen Frauen von diesem Plan unterrichtet worden waren, ließen wir nichtsahnend die Kinder auf der Straße spielen, denn dort war es im Gegensatz zu den Häusern trocken. Doch der Anschlag sollte ausgerechnet in unserer Straße stattfinden, wo Maechy und Sal spielten. Dann gab es eine laute Explosion, und mein Baby war tot. Es blutete aus winzigen Löchern im Kopf, und ich stand nur da und weinte.«
Sie holte tief Luft und schaute zum Himmel empor, wo zwei Wolken in Richtung des Hochplateaus im Norden zogen. »Als Phaed dann fluchend das Haus betrat – der Gesandte der Königin hatte den Anschlag nämlich überlebt –, zeigte ich ihm seinen Sohn, der bleich und reglos auf dem Bett lag, und er sagte, das wäre nicht passiert, wenn der Schütze sorgfältiger gezielt hätte. Aber im Grunde sei es die Schuld des Mannes aus Ahabar gewesen, denn was hatte er überhaupt in Voorstod zu suchen.«
»Und wie hast du reagiert?«
»In jener Nacht habe ich mein letztes Lied geschrieben, von dem ich dir schon erzählt habe. Und dann habe ich es an Ort und Stelle gesungen. Danach habe ich mit Phaed gesprochen und ihn gebeten, zusammen mit mir Voorstod zu verlassen. Ich hatte geschworen, diesen Ort zu verlassen; das war das mindeste, was ich tun konnte. Er hat mich nur ausgelacht und gesagt, daß ich ihn nie verlassen würde. Dann hat er mich in den Hintern gekniffen und gesagt, ich solle mich zusammennehmen und für gutes Geld meine Lieder singen, denn er könne jeden Pfennig gebrauchen, den ich verdiente. Ich versuchte zu singen, aber die Kehle war wie zugeschnürt. Ich bekam kaum noch Luft. Nun mußte ich gehen, wenn ich nicht ersticken wollte. Ich packte Sams, Sals und
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