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Monströse Welten 2: Hobbs Land

Monströse Welten 2: Hobbs Land

Titel: Monströse Welten 2: Hobbs Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Möglichkeit, die Handlung eines Gottes durch einen anderen aufheben zu lassen. Keine schlechte Regelung; auf Phansure wird es heute noch so gemacht. Andererseits trug dieses Konzept schon den Keim des Untergangs in sich, denn manche Priester, die sich um die jeweiligen Götter scharten, erlagen der Versuchung, sich zu bereichern oder Macht auszuüben.
    Also wandelten einige dieser Priester sich zu Propheten, die verkündeten, daß ihr Gott – oder ein neuer, den sie sich ausgedacht hatten – der Größte, Beste und Einzig Wahre sei. Das Postulat, daß Gott gütig, allmächtig oder was auch immer sei, resultierte zwangsläufig in einem Dilemma: Wenn Gott wirklich so mächtig war, weshalb gab es dann noch immer widersprüchliche Lebensbedingungen? Dieser Widerspruch wurde dadurch aufgelöst, daß die Menschen eine andere Macht postulierten, die für das Böse stand, entweder einen Untergott, einen gefallenen Engel oder die Menschheit selbst, die eben der Erbsünde anheimgefallen war. Dadurch wurden die Menschen mitten auf dem kosmischen Schlachtfeld plaziert und mußten die Verantwortung für jeden Mißstand übernehmen.
    Und solange die Menschheit sich in dieser zentralen Position befand, herrschte eine Pattsituation. Die Menschen beteten ständig zu Gott, er möge ihnen Frieden bringen, doch Frieden stellte sich nie ein. Also kamen die Menschen zu dem Schluß, daß ihr Gott den Krieg wollte, weil die andere Seite gesündigt hatte. Nun erfand die Menschheit Tugenden, die man nur unter den Bedingungen des Krieges unter Beweis stellen konnte, wie Heldentum, Mut und Ehre, und die Menschen belohnten einander mit Lorbeerkränzen, Geschenken und Medaillen für solche Tugenden; sie hatten gleichsam aus der Sünde eine Tugend gemacht. Die Menschen taten das auch dann noch, als sie scheinbar dem Stadium der Barbarei entwachsen waren und sich für zivilisiert hielten; und sie taten es noch bis kurz vor der Diaspora, als sie Vernichtungskriege gegeneinander führten und natürlich gleichzeitig für Frieden beteten.
    Die meisten der monotheistischen Religionen waren Stammes- und pastorale Religionen, die auf dem Prinzip der Vergeltung beruhten; in ihrem Namen wurden über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren schreckliche Verbrechen begangen und Morde verübt. Es war eine Zeit der Religionskriege, wobei jede Stammesreligion für sich in Anspruch nahm, ihr Gott sei der einzig wahre Gott. Jeder Prophet hatte natürlich seinen eigenen Katechismus, und infolgedessen wurden die Menschen permanent zwischen unterschiedlichen Gottesbegriffen hin- und hergerissen, wobei derjenige die Definitionsmacht besaß, der den letzten Krieg oder die jüngste politische Auseinandersetzung gewonnen hatte.
    Das bedeutete, daß die Menschheit ständig Gottheiten anerkennen sollte, die ihrer Natur im Grunde fremd waren. Damit will ich sagen, wenn ein Prophet beziehungsweise seine Exegeten sexuelle Neurosen hatten, verlangte diese Religion den Zölibat, die Unterdrückung der Frau oder gar Frauenhaß. Wenn der Prophet homophob war, predigte er die Verfolgung der Homosexuellen; und wenn er gleichermaßen lüstern und gierig war, predigte er die Vielweiberei. Wenn er einen Hang zum Luxus hatte, verlangte er von seinen Anhängern Geld und versprach ihnen dafür das Himmelreich. Wenn er paranoid war, beschwor er den Gott der Rache und hielt seine Gefolgsleute zum Töten an. Und wenn wohlmeinende Vertreter der Ökumene noch so sehr behaupteten, daß alle Götter nur verschiedene Facetten ein und desselben Gottes wären, so war es doch falsch. Jeder Prophet schuf Gott nämlich nach seinem Ebenbild, um seine eigenen Alpträume zu bekämpfen.«
    Tandle bereute mittlerweile zutiefst, daß sie Spiggy diese Vorlage geliefert hatte, doch nun war er so richtig in Fahrt.
    »Zum Beispiel verhielt es sich so, daß mitten in der Diaspora die drei größten überlebenden Stammesreligionen von Menschenheimat emigrierten und sich schließlich zu Voorstod zusammenschlossen. Niemand hatte ihnen jemals vorgeworfen, daß sie einen Gott hätten, der etwas bewirkte. Und soweit mir bekannt ist, hat sich bisher überhaupt keine menschliche Gesellschaft den Vorwurf zugezogen, einen Gott zu haben, der etwas bewirkt!« Nun führte Spiggy den Löffel mit Geflügelfleisch und Gemüse zum Mund und kaute mit traurigem Blick. Er grämte sich wegen des Zustands der Menschheit. »Die Phansuris machen es noch am besten. Ihre vielen Götter bewirken überhaupt nichts, aber dafür gibt

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