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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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von Flachwasser«, sagte Jory, während Asner zustimmend nickte. »Sie haben ein ruhiges Temperament und ein fröhliches Gemüt. Sie arbeiten; nicht hart, aber stetig. Und sie finden immer einen Anlaß zum Feiern.«
    »Bei all diesem Frieden und der Beschaulichkeit sollte man meinen, daß ihre Provinz längst übervölkert ist«, sagte Fringe.
    Jory schüttelte den Kopf. »Ihre Gebräuche besagen, daß jede Frau nur zwei lebende Kinder unter einem bestimmten Alter haben darf. Bekommt sie mehr, werden sie dem Fohm übergeben.«
    Mit einem flauen Gefühl wandte Fringe sich von der friedlichen Szenerie ab. »Sie werden im Fluß ertränkt?«
    »Sie werden in einem Schilfkorb ausgesetzt und treiben flußabwärts.«
    »In den Ozean? Wo sie ertrinken?«
    »Bis auf die wenigen, die von Curward-Seeleuten geborgen und adoptiert werden; aber die meisten werden wohl von den Gavern gefressen, die sich im Delta tummeln und sogar noch im mittleren Abschnitt des Fohm auftauchen. Ein schneller und sicherer Tod.«
    »Aber… aber…«, stammelte Fringe. »Das ist schrecklich. Das ist furchtbar«, wollte sie sagen. Aber sie sagte nichts. Das war eben die Vielfalt, sagte die Indoktrination ihr. Vielfalt. Die heilige Vielfalt. Sie verdrängte die momentane Mißbilligung und konzentrierte sich auf eine der Entspannungsübungen, die sie an der Akademie gelernt hatte. »Unterschiede sind immer beunruhigend«, hatte ihr Ausbilder gesagt. »Lernen Sie, sich zu entspannen und das zu akzeptieren.«
    Nela indes artikulierte den Gedanken, bevor Fringe ihn noch unterdrückt hatte. »Das ist ja furchtbar!«
    »Sieh dich um«, sagte Jory. »Machen die Leute etwa einen bösen Eindruck?« Sie drehte sich zu Nela um und musterte sie mit klarem Blick. »Hier herrschen auch keine schlimmeren Zustände als an anderen Orten. Wurden zum Beispiel in deiner Zeit nicht auch viele Kinder getötet?«
    »Ich glaube schon«, sagte Nela. »Aber nicht auf diese Art!«
    »In deiner Zeit war Gewalt die Hauptursache für den Tod von Kindern, nicht?«
    Nela nickte. »Ja, schon«, gestand sie. »Aber dabei handelte es sich um Unfälle! Kinder waren keine spezifischen Ziele! Und wenn doch, dann wurden sie von irgendeinem Wahnsinnigen getötet!«
    »Ach, ich verstehe. Wenn sie bei einem Unfall starben, waren sie nicht ganz so tot? Stirbt es sich leichter, wenn der Mörder ein Irrer ist?«
    »Es gibt einen Unterschied!« platzte Bertran heraus.
    Jory zuckte die Achseln. »Ob in einem Korb auf dem Fohm gefressen oder von einem Irren erschossen – die Kinder sind tot. Jede Kultur hat ihre eigene akzeptable Form des Todes.«
    »Natürlich waren sie nicht akzeptabel«, rief Nela.
    »Wenn sie nicht akzeptabel gewesen wären, hätte man dagegen etwas unternommen. Der Unfalltod ist in der Regel akzeptabel und sogar erwünscht. Und oft liegt es nur daran, daß Regierungen den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung verschleiern, so daß ein Mord wie ein… Unfall aussieht.«
    »Erwünschter Tod?« fragte Nela.
    »Ich weiß, was sie meint.« Bertran drehte sich zur Seite, und sie sahen den bitteren Ausdruck in seinem Gesicht, wie jemand, der versehentlich in eine unreife Frucht gebissen hat. »Wenn man Übervölkerung hat oder eine Unterschicht, wie in unserer Zeit, ist es für jeden von Vorteil, wenn sie sich gegenseitig umbringen.«
    »Ein Vorteil der Götter von Hobbs Land«, murmelte Asner. »Daß es weder Übervölkerung noch eine Unterklasse gibt.«
    »Wenn es einem nichts ausmacht, versklavt zu werden«, rief Fringe.
    »Das hatte ich mich auch schon gefragt«, erwiderte Asner nachdenklich. »Ich bin schon an Orten gewesen, an denen die Götter von Hobbs Land aktiv waren, und ich hatte den Eindruck, daß es so schlimm gar nicht war!«
    Mit einem Ausdruck der Fassungslosigkeit wich Fringe vor ihm zurück, als ob er giftig wäre.
    »Er wird dich schon nicht anstecken«, sagte Jory ungeduldig. »Er wollte dir nur etwas sagen.«
    »Ich will es nicht hören!«
    »Aber ich«, rief Nela. »Ich will es hören!«
    »Ich wollte nur darlegen«, sagte Asner, »daß die Wesen, die von den Göttern von Hobbs Land beeinflußt waren…«
    »Versklavt«, spie Fringe aus.
    »Beeinflußt«, wiederholte Asner mit Nachdruck. »Daß diejenigen, die beeinflußt wurden, glücklicher und weniger gewalttätig waren, sich aber genauso wie wir die Neugier und geistige Freiheit bewahrt hatten.«
    »Das ist mir egal«, rief Fringe. »Ein Sklave ist und bleibt ein Sklave.« Sie wandte sich zornig ab.

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