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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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»Egal, wie die Sklaverei ihm vorkommt.«
    »Ich habe nur gesagt…«
    »Wer sind Sie, daß Sie überhaupt etwas zu sagen haben!« sagte Fringe. »Wer sind Sie, Asner, daß Sie so über die Götter von Hobbs Land reden? Was gibt Ihnen beiden das Recht, sich in mein… unser aller Leben einzumischen?«
    Jory betrachtete sie amüsiert. »Zu meiner Person, Fringe Owldark. Ich habe eine Reihe von Identitäten gehabt: Ehefrau und Mutter lang verstorbener Personen, Geliebte und Freundin nichtmenschlicher, wundervoller Wesen, Retterin der Menschheit (so sagte man mir), Raum- und Zeitreisende, Prophetin und Führerin, und nun…«
    »Und nun im Ruhestand«, unterbrach Asner sie und stupste sie mit dem Ellbogen.
    Jory schaute ihn belustigt an und beendete ihre Ausführungen: »Was den Rest betrifft, so mische ich mich ein, soweit ich dazu in der Lage bin. Sofern man es mir erlaubt.«
    Fringe errötete. »Nun, wenn Sie sich schon in meine Belange einmischen, möchte ich auch wissen, weshalb!« Zornig schaute sie auf ihre zitternden Hände und zog an jedem einzelnen Finger, als ob sie zur Waffe greifen und kämpfen wollte.
    »Sie hat recht, du hast sie lang genug vollgelabert«, sagte Asner, drehte sich um und wies über die Reling auf die sie umgebende Wasserlandschaft. »Du hast hinreichend philosophiert und theoretisiert! Wenn Fringe lieber auf ihre Art unglücklich ist als auf eine andere Art glücklich, dann ist das ihr Problem. Sie ist nicht die einzige Kandidatin, also sprechen wir über etwas anderes. Über Geographie zum Beispiel. Wir nähern uns der Grenze von Flachwasser am Anfang des Deltas. Bald werden die Wasserweiden von Salzmarsch mit den langbeinigen Fischern auftauchen. Nicht weit flußaufwärts gibt es einen kleinen Binnenhafen, den wir ansteuern werden…«
    »Oh, Heilige Mutter«, rief Nela und schaute über das aufgewühlte Wasser.
    »Was?« Fringe sah auf.
    »Ist das eure Vielfalt? Oh, oh, Heilige Mutter.« Nela beugte sich über die Reling und zeigte mit dem Finger. Fringe folgte dem ausgestreckten Arm und sah es. Ein mitten im Fluß treibender Korb, der auf den Wellen schaukelte und ein drei- oder vierjähriges Kind enthielt, das sich am verstärkten Rand festhielt und mit offenem Mund weinte. Es heulte Rotz und Wasser.
    »Sie sagten Babies…«, sagte Fringe zu Jory. Sie war ebenso überrascht wie empört, daß dieser Vorgang so kurz auf ihren Vortrag folgte.
    »Ich sagte Kinder«, korrigierte Jory sie.
    »Wieso setzen sie… wieso setzen sie ein Kleinkind anstatt eines Babys aus. Ich verstehe das nicht!« rief Nela.
    »Vielleicht ist das Kleinkind ein Junge, und die Familie zieht eine neugeborene Tochter vor«, sagte Asner ruhig. »Oder umgekehrt.«
    »Vielleicht ist das Kind irgendwie behindert«, sagte Jory leise. »Oder die Mutter war mit dem Kind einfach überfordert.«
    Der Korb schaukelte auf den Wellen. Das Kind sah auf, erkannte sie, streckte die Arme aus und rief über das Wasser. »Bitte… bitte.« Der Korb trieb an ihnen vorbei, und die Stimme des Kindes wurde vor Furcht noch lauter. »Nehmt Onny auf, bitte. Nehmt Onny auf…«
    Bertran stieß sich von der Reling ab, und Nela fuchtelte herum. Schweiß trat auf ihre Stirnen. »Ich glaube das nicht«, knurrte Bertran. »Ich kann nicht…«
    An der Stelle, wo der Korb schaukelte, tauchte etwas Großes mit vielen Zähnen aus dem Wasser und schnappte gierig.
    Fringe wandte sich vom Wasser ab, blendete den Anblick aus und verdrängte ihn aus dem Gedächtnis. So waren die Dinge nun einmal. Vielfalt bedeutete sowohl Freude als auch Schmerz, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Leben und Tod. Das war der Lauf der Welt. Sie entschuldigte sich, ging davon und streifte den entgegenkommenden Danivon.
    »Was ist denn mit ihr los?« fragte Danivon, der gerade an Deck kam.
    Asner wies auf die Stelle, wo der Korb sich befunden hatte und erklärte mit leiser Stimme: »Ein großer Gaver ist aufgetaucht und hat das Kind verschluckt. Ich glaube, Fringe hat sich deswegen aufgeregt.«
    Danivon stieß ein Knurren aus. Er hatte ihr doch schon in Enarae gesagt, daß manche Orte auf Woanders barbarische Bräuche pflegten. Sie hätte sich darauf einstellen sollen! Was glaubte sie denn, wovon er gesprochen hatte? Tischsitten? Man konnte sich nicht über jedes Kind aufregen, das den Fohm hinabtrieb, über jeden Schädel im Regal in Molock oder jeden Stapel blutiger Leichen an den Straßenecken in Derbeck. Und was würde sie erst sagen, wenn sie die Frauen in Thrasis sah!

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