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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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war es ihm sogar egal! »Ich habe keine Ahnung, was du meinst. Damals im Zirkus las ich eine Geschichte von Seeleuten und ihrem Kapitän, die von Leuten eines feindlichen Landes gefangengenommen wurden. Sie sperrten sie ein, folterten und demütigten den Kapitän und ließen sie schließlich gegen Zahlung eines Lösegelds wieder frei. Natürlich waren die Feinde der Ansicht, sie hätten den Kapitän stellvertretend für sein Land gedemütigt, was ihnen auch große Genugtuung bereitete.
    Der Punkt ist, nach der Rückkehr gestand der Kapitän, daß er und seine Männer jeden Tag gebetet hätten, ihr Land möge ihre Schmerzen beenden und die Stadt vernichten, in der sie und ihre Peiniger sich befanden. Sie wären bereit gewesen zu sterben, wenn das bedeutet hätte, daß sie gerächt wurden. Sie zogen den Tod der Gefangenschaft, Folter und Erniedrigung vor. Der Kapitän schrieb: ›Lieber sterbe ich, als vom Bösen für die Zwecke des Bösen benutzt zu werden.‹
    Vom Gefühl her plädiere ich für Intervention. Nela scheint jedoch eine andere Einstellung zu haben, und auf dieser Welt…«
    »Auf dieser Welt«, flüsterte Curvis wütend, »stellt diese Frage sich gar nicht erst. Für uns gibt es nämlich keine ›bösen‹ Provinzen. Wir betrachten auch Tod, Folter und Menschenopfer nicht als ›böse‹. Das ist einfach Brauch an manchen Orten, und Intervention ist immer falsch, egal wer gerettet werden soll oder was für wen oder welche Sache riskiert werden soll! Wir intervenieren nur, um den Status quo aufrechtzuerhalten!«
    Den Zwillingen verschlug es die Sprache angesichts dieses Ausbruchs. Er schien das letzte Wort in dieser Sache zu haben. Sie schwiegen und wurden von der Dunkelheit eingehüllt, die alles verbarg außer den Sternen und der tieferen Schwärze der Ufer, die immer dann zu sehen waren, wenn die Taube nach einer Halse einen Schwenk zum Ufer hin machte. Als sie sich dem südlichen Ufer näherten, atmete Jory tief durch; fast hörte es sich wie ein Seufzer an.
    »Dort«, sagte sie leise. »Am Ufer. Wie ich es vermutet hatte.«
    Dann sahen alle, was sie sah, eine Linie leuchtender Punkte, die sich am südlichen Ufer entlangbewegte und auf gleicher Höhe mit der langsam flußaufwärts segelnden Taube blieb. Die an der Reling stehenden Passagiere blinzelten, um sich zu vergewissern, ob sie wirklich etwas sahen. Jory zitterte wie Espenlaub. Asner legte den Arm um sie.
    »Was hat sie denn?« flüsterte Nela.
    »Sie hat Angst«, sagte Asner. »Ich auch.«
    »Davor?«
    »Etwas Ähnliches haben wir vorhin schon gesehen«, erinnerte er sie.
    »In Derbeck«, sagte Curvis. »Vor der Ankunft von Chimi-ahm. Die Formen im Rauch.«
    Fringe hörte die Besorgnis in ihren Stimmen, verließ das bewußtlose Mädchen und ging wieder zur Reling, wo Danivon sich ihr anschloß. Sie suchten das südliche Ufer ab und versuchten die amorphen Punkte zu identifizieren.
    »Geister«, sagte Danivon, wobei er sich an Boarmus’ Nachricht erinnerte.
    »Mir hat niemand etwas von Geistern gesagt«, entrüstete Curvis sich erneut.
    Danivon schüttelte den Kopf, obwohl er nicht daran zweifelte, daß es diese Schemen waren, vor denen Boarmus ihn gewarnt hatte. Die älteren Luzes schlossen sich der Gruppe an und warfen einen Blick auf die Schemen. Die Gesellschaft der anderen spendete ihnen einen gewissen Trost, während sie die unheimlichen Verfolger beobachteten. Sie waren nicht groß, zumindest nicht in dieser Entfernung, aber zahlreich, und sie bewegten sich zielstrebig. Sie überwanden jedes Hindernis: Baumgruppen, sumpfigen Morast und sogar Geröllhalden, die sich stellenweise gegen das Licht der Sterne abhoben. Die Schemen hielten sich exakt auf gleicher Höhe mit dem Schiff, verzögerten, wenn der Wind schwächer wurde, beschleunigten, wenn er auffrischte, und wurden immer zahlreicher, je länger die Reise dauerte.
    Curvis empfand das als Bedrohung, obwohl er sich das nicht eingestehen wollte. »Vielleicht hat Toleranz sie geschickt«, mutmaßte er. »Der Aufsichtsrat.«
    »Nein«, erwiderte Jory und stellte sich mit dem Rücken zur Reling. »Ich könnte mir vorstellen, dein Aufsichtsrat würde sich genauso über sie wundern – und sich vor ihnen fürchten – wie ich.«
    »Ich fürchte mich aber nicht«, knurrte Danivon. »Wieso sollte ich?«
    »Du solltest dich aber fürchten, denn du bist kein Dummkopf; auch wenn du einem Gockel gleichst, der erst kräht und dann nachdenkt«, flüsterte sie. »Du sagtest, Boarmus hätte dich vor

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