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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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am Horizont ab. Ein laues Lüftchen wehte aus Osten, das, wie die Frühaufsteher unter den Seeleuten der Taube sagten, der Vorbote einer starken Brise war. Nachdem der Kapitän aufgestanden war, stritt er sich mit Asner darüber, ob es sicherer wäre, Bohnenfelder zu durchqueren oder ob sie lieber Jorys Rat befolgen, das südliche Ufer meiden und mit Braßfahrt flußaufwärts fahren sollten.
    Die Wachen am Ufer erwachten, ohne zu wissen, daß sie geschlafen hatten. Sie hatten den Wachen, die sie in der Morgendämmerung ablösten, keine besonderen Vorkommnisse zu melden. In der Stadt Thrasis standen die Männer auf und widmeten sich ihrem Tagewerk, ohne daß die Stille in den Kemenaten ihnen zu denken gegeben hätte. In den Quartieren der Frauen herrschte normalerweise immer Ruhe. Frauen, die auch nur halbwegs bei Verstand waren, vermieden es nämlich, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Ein einzelner Käufer ging frühmorgens zum Turm, der am Fluß stand. Er wollte eine junge Frau erwerben, um sie seinem Sohn zum Mannbarkeitsgeschenk zu machen, damit er an ihr üben konnte. Er wurde von einem Wesir des Propheten begleitet; selbstgefällig schritten sie über die äußeren Höfe und betraten eine der kleineren Verkaufshallen. Tags zuvor waren die alten Frauen, die als Aufseherinnen arbeiteten, angewiesen worden, bestimmte Frauen zu untersuchen, die zuvor nach Alter und Aussehen selektiert worden waren. Es sollte gewährleistet werden, daß sie als Kind ordnungsgemäß beschnitten und zugenäht worden waren, um ihre Reinheit zu garantieren.
    Die Verkaufshalle war leer. Der Wesir betrat den nächsten Korridor und brüllte einen Befehl, der indes nur vom eigenen Echo bestätigt wurde. Es war niemand im Turm außer ein paar alten Frauen, die in einem der oberen Zimmer Zuflucht gesucht hatten. Hastig verließ er das Areal, worauf Wachen, Offiziere und andere Männer von einer großen Verwirrung befallen wurden und hektisch umherliefen. Nicht nur, daß der eine Turm praktisch leerstand, sondern auch die übrigen Türme. Nicht nur die Türme am Fluß, sondern auch viele Kemenaten in den Stadthäusern. Nicht nur in der Stadt, sondern auch im Palast des Propheten selbst, und auf dem Land, wo noch in den entlegensten Gegenden unsichtbare Kräfte den Frauen zur Flucht verholfen hatten. Selbst die entferntesten Winkel der Provinz waren davon betroffen. In ganz Thrasis waren nur ein paar hundert Frauen übrig, vor allem alte.
    Ein Boot wurde zur Taube entsandt, und ein Wesir wandte sich an Danivon, der schon früh aufgestanden war, um die Rettungsaktion vorzubereiten. Er begehrte die Person zu sprechen, die am Vortag in die Türme eingedrungen war. Der Rest der Gruppe erschien, darunter auch Jory, die alt und zerbrechlich wirkte, indes einen verschmitzten Eindruck machte.
    »Du wolltest mich sprechen, mein Sohn?« Sie wollte ihn provozieren, was ihr auch gelang. In Thrasis hatten nämlich nur Männer Söhne.
    »Wo sind die Frauen?« schrie der Mann sie an.
    »Welche Frauen?« fragte sie unschuldig. »Hier gibt es keine Frauen außer denen, die mich begleitet haben. Welche Frauen meinst du?«
    »Unsere Frauen! Die Töchter des Propheten. Jemand hat sie entführt!«
    »Ein Dieb stiehlt nichts, was wertlos ist«, sagte Jory. »Die Frauen von Thrasis sind wertlos; das sagen die Propheten doch seit Anbeginn der Zeit. Weshalb sollte jemand etwas stehlen, das keinen Wert hat? Vielleicht sind sie einfach weggelaufen.«
    »Die Wachen haben ihr Verschwinden nicht bemerkt!«
    »Nun, die Wachen, die dieses Schiff beobachten, haben sie sicher nicht gesehen. Wieso schreist du mich überhaupt an? Ich habe sie nicht entführt.«
    Der verdutzte Offizier stieß Drohungen aus, die er jedoch in einem Anfall geistiger Umnachtung wieder vergaß, während die Stimme einer riesigen, unsichtbaren Entität ihm riet, keine Dummheiten zu machen. Nachdem er an Land gegangen war, erinnerte er sich wieder an sein Anliegen, jedoch nur vage. Er meldete, daß die Leute auf dem Schiff nichts über das Verschwinden wüßten. Die Frauen von Thrasis befanden sich gewiß nicht an Bord des kleinen Schiffs.
    »Was haben Sie getan, alte Frau?« flüsterte Danivon. »Was haben Sie getan, alte Frau?«
    »Ich bin die ganze Nacht hier auf dem Schiff gewesen«, sagte Jory mit Unschuldsmiene. »Stimmt’s, Cafferty?«
    »Stimmt genau«, bestätigte Cafferty.
    »Sind wirklich alle Frauen weg?« fragte Danivon.
    »Zumindest die meisten. Dadurch wird sich in Thrasis aber nicht

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