Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
seit über zwei Jahren nichts mehr von ihr gehört und wußte nicht einmal, ob sie überhaupt noch lebte; doch in diesem Moment, wo sie Nela die Tränen wegwischte, ohne ihr indes bei der Lösung des eigentlichen Problems helfen zu können, sehnte Maria sich mich Sizzy.
    Als die Zwillinge sechs waren, gingen sie in die erste Klasse der Schule des Heiligen Erlösers. Die Rektorin, eine Nonne – die Schule hatte wirklich eine Nonne als Rektorin und auch ein paar Nonnen als Lehrerinnen, obwohl die Anzahl der religiösen Menschen landesweit abnahm – unternahm einen halbherzigen Versuch, ihnen die Aufnahme zu verweigern, mit der Begründung, sie lebten nicht in dieser Kirchengemeinde. Allerdings waren noch mehr Kinder aus anderen Kirchengemeinden in der Schule, zumal Maria dezidiert den Standpunkt des Papstes zur Geburtenkontrolle referierte und auch die Heiligkeit des Lebens erwähnte. Sie schloß mit der Frage, ob es der Schwester denn lieber gewesen wäre, wenn sie die Zwillinge hätte abtreiben lassen.
    Die beschämte Schwester verneinte dies und bat um Verzeihung; man würde das schon irgendwie regeln. Als die ewige Toiletten-Frage wieder aufkam, wurde sie pragmatisch gelöst, indem man den Zwillingen die Benutzung der Toilette im Lehrerzimmer gestattete, für die ohnehin keine Geschlechtertrennung galt. Maria kaufte ein Duplikat des Stuhls, den die Kinder zu Hause benutzten, bei dem ein zweiter Sitz ausgeklappt werden konnte, so daß der eine auch eine Sitzgelegenheit hatte, während der andere sein Geschäft erledigte.
    Anfangs wurden sie von den anderen Kindern gehänselt, was die alte Schwester Jean Luc jedoch bald unterband. Die Zwillinge saßen hinten im Raum, so daß sie den Blicken der anderen Schüler entzogen waren. Sie saßen auf zwei nebeneinandergestellten Stühlen an einem kleinen Tisch, der aus der Bibliothek herbeigeschafft worden war. Alle gaben sich betont verständnisvoll und zivilisiert, und die Zwillinge hatten keine Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen.
    Mit dem Sport war es wieder eine andere Sache. Die einzige Übung, an der sie teilnehmen konnten, war Wandern. Bertran trug seine Spezialschuhe und legte den linken Arm um Nela, und Nela schob den rechten Arm in die Jacke, wobei die äußeren Arme jeweils frei schwangen. Das einzige Problem bei Wanderungen war, daß keiner von beiden Gefallen daran fand. Ihr gemeinsames Herz mußte auch so schon schwer genug arbeiten, und eine zusätzliche Belastung führte sie an den Rand der Erschöpfung.
    Von Spielen, bei denen ein bewegter Ball getroffen werden mußte, waren sie ausgeschlossen. Von Spielen, bei denen ein stationärer Ball getroffen werden mußte, waren sie auch ausgeschlossen, denn keiner von beiden war imstande, eine Schlagbewegung auszuführen. Schwester Jean Luc fand sie eines Nachmittags weinend im Lehrerzimmer, nachdem sie vergeblich versucht hatten, Fußball zu spielen.
    »Wieso?« fragte Bertran eher zornig als traurig. »Wieso sind wir so, Schwester? Wir können überhaupt nichts machen. Wieso?«
    Maria hätte ihnen gesagt, sie sollten sich gedulden, es sei ja nur für eine gewisse Zeit. Schwester Jean Luc indes war direkter. Sie hatte das Gefühl, daß, wenn es möglich wäre, die Kinder zu trennen, dies schon längst geschehen wäre. Ihnen zu suggerieren, eine Trennung sei möglich, lief im Grunde auf eine Lüge hinaus.
    »Gott tut nie etwas ohne Grund«, sagte sie bestimmt. »Daß ihr so auf die Welt gekommen seid und ein anderes Leben führen müßt, bedeutet, daß Gott etwas von euch will, das er von normalen Menschen nicht bekommen kann. Natürlich ist es hart. Ein Werkzeug in Gottes Händen zu sein ist immer hart.« Schwester Jean Luc betrachtete sich auch als Werkzeug in Gottes Händen; sie wußte, wie schwer das war und glaubte das, was sie sagte. Ihre Worte waren höchst überzeugend.
    Wenn sie nachts zusammen im Bett lagen, erinnerten sie sich oft daran, was Schwester Jean Luc gesagt hatte. Wenn sie einen harten Tag gehabt hatten, versicherten sie sich gegenseitig, daß ein Schraubenzieher es nicht leicht hatte, daß ein Hammer es nicht leicht hatte, daß eine Rohrzange es nicht leicht hatte. Das war zwar kein großer Trost, doch es vermittelte ihnen einen gewissen Halt, etwas, auf das sie sich stützen konnten.
    »Ein linkshändiger Wagenheber hat es nicht leicht«, sagte Bertran und lachte gekünstelt.
    »Ein Klempnergehilfe hat es auch nicht leicht«, entgegnete Nela kichernd.
    Obwohl sie viele ihrer Gedanken
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher