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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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sie ihren Abfall. Und wenn sie nicht aufeinander losgingen, schikanierten sie Fringe. Bist du noch immer nicht mit den Hausaufgaben fertig? Schalte den Computer aus. Mach endlich das Licht aus. Was gibst du für komische Geräusche von dir? Hör auf zu husten. Hör auf, an den Nägeln zu kauen. Hör auf, in der Nase zu bohren. Was machst du unter der Decke? Deine Kleider liegen auf dem Fußboden! Man könnte meinen, du wärst ein Junge, so unordentlich wie du bist!
    Entweder das, oder sie taten so, als ob sie gar nicht da wäre. Schau dir nur diese Kleidung an. Sie sieht aus wie eine Lumpensammlerin. Fräulein Lohnempfängerin versucht, wie die Dorwalks zu sein; hält sich für was Besonderes, nicht wahr? Es kann halt niemand aus seiner Haut heraus; sie wird sich noch wundern.
    »Schade, daß ich kein besseres Verhältnis zu meinen Verwandten habe«, sagte Fringe. »Aber bei ihnen fühle ich mich so… so verloren.«
    »Magst du sie überhaupt nicht?«
    Sie mochte sie schon, aber nur auf einer weiten Fläche und einen auf einmal. Sie hatten manchmal interessante Dinge zu sagen, wenn sie vergaßen, daß sie da war und nicht auf ihr herumhackten. Wenn sie aber mit ihnen auf engstem Raum zusammen war, mit geschlossenen Türen und eingemauert, schienen sie sich in andere Wesen zu verwandeln, eine Art Vögel mit spitzen Schnäbeln und Krallen, und dann schauten sie sie mit diesen dunklen Knopfaugen seltsam an, während sie kleine Stücke aus ihr herausrissen. In ihrer Gesellschaft glaubte sie ihre Persönlichkeit zu verlieren, fühlte sich schwach, zornig und verloren.
    »Sie fressen mich«, sagte sie zu Zasper. »Wenn ich mich ihnen nicht widersetzen würde, würden sie aufhören, aber ich muß ihnen Kontra geben, weil sie mich so niedermachen, daß ich gar nicht mehr weiß, wer ich bin. Manchmal glaube ich, daß mein ganzes Leben von alten Frauen bestimmt wird. Manchmal glaube ich, daß ich nur deshalb lebe, damit sie mich auffressen können. Anscheinend wissen sie sonst nichts mit mir anzufangen!«
    Da war aber noch etwas. Etwas, das sie Zasper verschwiegen hatte. Wenn sie allein war, hatte sie eine Art Vision. Ein Licht, das ihr zuwinkte. Eine Stimme, die Worte sprach, die sie fast verstand. Wenn sie im Halbschlaf dalag, sah sie es fast, hörte sie es fast! Doch wenn die alten Frauen anwesend waren, erinnerte sie sich nicht mehr, was es gewesen war.
    Sie seufzte. »Als Tantchen kam«, fuhr sie fort, »dachte ich zuerst, sie sei es, die mich ständig verfolgt.«
    Zasper nickte. »Tut sie das noch immer? Dich verfolgen? Wie ist ihr Name?«
    »Jory. Ich sehe sie noch, wenn du das meinst. Hie und da. Manchmal kauft sie mir einen Kuchen. Manchmal erzählt sie mir von irgendwelchen Dingen.«
    »Welchen Dingen?«
    »Du weißt schon. Über alles mögliche. Wie ich zu den Dingen stehe. Daß ich sie eines Tages besuchen werde. Aber sie sieht eigentlich nicht so aus wie Tantchen. Tantchen wirkt nur alt und irgendwie verwelkt. Diese andere Frau ist zwar auch alt, aber in ihr brennt ein Feuer.«
    Zasper zuckte die Achseln. Er hatte Fringes Verfolgerin bisher noch nicht zu Gesicht bekommen. Manchmal glaubte er, daß Fringe sich das nur einbildete. Fringe hatte nämlich eine blühende Phantasie.
    »Dann wohnst du nun in einem Modul«, sagte er und wechselte wieder zum vorherigen Thema. »Aber du bist nie dort. Du bist immer hier.«
    »Hier gefällt es mir auch besser.« Sie sagte es mit einem flehentlichen Unterton, als ob sie befürchtete, er würde sie an einen Ort zurückschicken, an dem sie sich nicht wohl fühlte. Sie ging dort ein wie eine Primel. Nur wenn sie mit Zasper zusammen war oder den Fußboden von Blooms Spelunke fegte, wurde ihr bewußt, daß es ihr aus irgendeinem Grund bestimmt war, anders zu sein. Es war wichtig, daß es einen Grund gab. Weshalb hätte sie sonst… sonst überhaupt existiert? Es mußte einen Grund dafür geben, irgendwo in der Zeit, an irgendeinem Ort. Wie die Große Frage. Was war ihre Bestimmung?
     
    Nela und Bertran hatten erfahren, daß die Manifestation am siebzehnten Mai stattfinden sollte, etwa zehn Monate, nachdem der Sellerie – so hatten Bertran und Nela ihn genannt – sie besucht hatte. Der Besuch selbst gehörte fast schon ins Reich der Mythen oder der gemeinsamen Träume. Sie wären sich nicht mehr sicher gewesen, daß das Ereignis überhaupt stattgefunden hatte, wenn Sellerie ihnen nicht zwei kleine Gegenstände vermacht hätte. Der eine war golden und wies keinerlei Merkmale auf,

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